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Interview: Corona-Maskenpflicht in Bus und Bahn – So läuft das in einer Stadt, in der es bereits Realität ist

Ab dem 27.4.2020 ist die Mund- und Nasenmaske im gesamten ÖPNV in Deutschland Pflicht I © NahverkehrHAMBURG

Vom 27. April an ist das Tragen von Mundschutz im gesamten Nahverkehr in Deutschland verpflichtend. Interview mit einem Verkehrsbetrieb, bei dem so eine Masken-Pflicht bereits Realität ist. Ziel der Maskenpflicht ist, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in der Corona-Krise schrittweise wieder aufzuheben. Eine wichtige Entscheidungsgrundlage war dabei die Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften, kurz Leopoldia. In diesem Papier wird unter anderem eine Mundschutz-Pflicht in Bussen und Bahnen empfohlen: „Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz sollte als zusätzliche Maßnahme in bestimmten Bereichen wie dem öffentlichen Personenverkehr Pflicht werden“, hieß es in der Studie wörtlich. Auch auf europäischer Ebene deutet sich eine Empfehlung für das Tragen von Masken “aus verschiedenen Materialien” im ÖPNV an. Das geht aus einem internen Entwurf von Leitlinien zur schrittweisen Aufhebung von Corona-Notfallmaßnahmen hervor.

Wie sieht eine Masken-Pflicht aus? Wie ist der Zuspruch der Fahrgäste und wie könnten entsprechende Kontrollen aussehen? Hier lohnt ein Blick nach Jena, denn in dieser Stadt gilt bereits seit mehreren Wochen eine Masken-Pflicht in Bussen und Bahnen. Im Interview mit unserem Kooperationspartner NahverkehrHAMBURG berichtet die Pressesprecherin der Jenaer Nahverkehr GmbH, Anja Tautenhahn, über erste Praxiserfahrungen, Kommunikationsmaßnahmen, Kontrollen und warum das Fahrpersonal keinen Mundschutz trägt.

NahverkehrHAMBURG: Frau Tautenhahn, Sie betreiben fünf Straßenbahn- und 13 Buslinien in Jena – wie gut halten sich Ihre Fahrgäste an die Mundschutz-Pflicht?

Anja Tautenhahn: Unsere Fahrgäste sind sehr solidarisch und tragen nahezu uneingeschränkt ihren Mund-Nasen-Schutz. Das ist insofern gut umzusetzen, als dass mit Mund-Nasen-Schutz auch selbstgenähte Masken, Halstücher oder Schals gemeint und zugelassen sind. Dem Voraus ging eine großflächige Kommunikation und städtische Kampagne, so dass jeder und jede die Information zum Tragen eines Mund-Nasen Schutzes bereits vor dem Startdatum der Pflicht (6. April) erhalten hatte. Auch in den Fahrzeugen wird noch einmal durch Aushänge darauf verwiesen.

NahverkehrHAMBURG: Was ist mit Fahrgästen ohne Maske? Müssen die dann wieder aussteigen? Und geben Sie an diese Menschen Masken aus?

Anja Tautenhahn: Die Kontrolle der „Masken-Pflicht“ überprüft der Fachdienst Kommunale Ordnung der Stadt Jena. Der Jenaer Nahverkehr gibt keine Masken aus. Alle Fahrgäste in Jena sind verpflichtet, einen Mund-Nasen-Schutz bei sich zu tragen. Das gilt im Übrigen auch beim Betreten von Geschäften.

NahverkehrHAMBURG: Wie kontrollieren Sie die Einhaltung der Masken-Pflicht in Bussen und Bahnen?

Anja Tautenhahn: Die Kontrolle der „Masken-Pflicht“ überprüft der Fachdienst Kommunale Ordnung der Stadt Jena.

Nur die Fahrgäste, nicht das Fahrpersonal, sind zum Tragen des Mundschutzes verpflichtet I © Klaus Jördens

NahverkehrHAMBURG: Haben Fahrgäste ein Kündigungsrecht ihrer Zeitkarten, wenn Sie mangels Maske den ÖPNV derzeit nicht nutzen können?

Anja Tautenhahn: Da der Mund-Nase-Schutz mit einfachsten Mitteln sichergestellt werden kann, ist kein Fahrgast dazu veranlasst, sein Abo in Frage zu stellen. Wenn jemand dennoch sein Abo nicht nutzen kann oder will, gibt es die Möglichkeit, es zu kündigen (eine Kündigung bis zum 10. des Monats wird zum Monatsende wirksam).

NahverkehrHAMBURG: Inwiefern trägt auch Ihr Fahrpersonal in Bahnen und Bussen Masken?

Anja Tautenhahn: Die Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz erfasst nicht unser Fahrpersonal während des Führens von Fahrzeugen. Das leitet sich nicht zuletzt aus § 23 Abs. 4 der StVO („Vermummungsverbot“) ab. Durch Vorsichtsmaßnahmen, wie der gewährleistete Mindestabstand zu den Fahrgästen, wird für das Fahrpersonal das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus minimiert.

Mehrheit der NahverkehrHAMBURG-Leser befürwortet MaskenPflicht

Und wie stehen die NahverkehrHAMBURG-Leserinnen und Leser zu dem Thema? NahverkehrHAMBURG hat seine Leser per Facebook und Twitter befragt. Ergebnis: Eine deutliche Mehrheit befürwortet eine Mundschutz-Pflicht in Bussen und Bahnen. Bei Twitter sprachen sich von 225 Befragten 71 Prozent für eine Masken-Pflicht aus, 29 Prozent lehnen sie ab. Bei Facebook befürworten von 463 Befragten 60 Prozent eine Mundschutz-Pflicht im ÖPNV, 40 Prozent sind dagegen.

Mundschutz-Pflicht: BVG in Berlin nimmt das Thema humorig

Sicher ist: eine Corona-Maskenpflicht im Öffentlichen Nahverkehr würde das Erscheinungsbild im ÖPNV spürbar ändern. Das Stigma eines gefährlichen Ortes, mit dem Busse und Bahnen derzeit behaftet sind, würde dadurch für jedermann sichtbar. Ein heikler Schritt für das Image des ÖPNV, der die Marketingabteilungen der Verkehrsunternehmen vor Herausforderungen stellen dürfte. Die Berliner Verkehrsbetriebe zeigen hier bereits einen Lösungsansatz, indem Sie versuchen, das Thema Mundschutz humorig nehmen. Auf Instagram hat das Unternehmen gestern einen Aufruf zum Posten von Masken-Selfies gestartet.

Dieser Artikel ist zuerst bei unserem Kooperationspartner NahverkehrHAMBURG.de erschienen. Weitere Mobilitätsnachrichten aus dem Großraum Hamburg lesen Sie hier:https://www.nahverkehrhamburg.de/

24.04.2020
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