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Marburg: Mit zwei neuen Rampini Eltron hinauf zum Schloss

Wagen 118 auf dem Markt in der Oberstadt | © Christian Marquordt

In Marburg, der außerordentlich schönen Universitätsstadt mit sehenswerter Oberstadt, gibt es mit den Linien 10 (Hauptbahnhof – Oberstadt – Schloss), 16 (Alte Universität – Wehrshausen – Elnhausen – Dagobertshausen – Dilschhausen) und 20 (Behringwerke – Aquamar) drei Buslinien, die mit Midibussen bedient werden. Speziell in der Oberstadt wären wegen der schmalen und teils auch steilen Straßen auch gar keine anderen Busse möglich, zumal auch Spitzkehren zu bewältigen sind, die ein „ausgewachsener“ Bus gar nicht schaffen könnte.

Seit in den fünfziger Jahren die Linie zum Schloss eröffnet worden ist, haben die Stadtwerke Marburg immer spezielle Midibusse für diese Verbíndungen gehabt. Es begann mit einem Opel Blitz-Bus mit Aufbau der bekannten Essener Karosseriefabrik Ludewig, es gab einen kleinen Mercedes L 613 D mit Aufbau von Vetter, nacheinander zwei Midibusse von Setra, einen Van Hool, kleine Neoplan und mehrere Kleine von Breda-Menarinibus.Die übrigens alle brav taten, was sie sollten. Von den Breda-Menarinibus sind nach Auskunft von Stadtwerke-Geschäftsführer Otto drei bis heute im Bestand.

2021 folgten erste batterie-elektrische Midibusse des italienischen Herstellers Rampini aus Passignano in der Toscana. In Dienst gestellt wurden die beiden Wagen 86 und 96 vom Typ Rampini E 80 (E für Elektrobus, 80 für ihre Länge von 8 Metern). Wagen 96 hat in den zwei Jahren seither 39.088 Kilometer zurückgelegt, Wagen 86 kommt auf 25.002 Kilometer. Beide Busse werden während der Betriebsruhe im Depot „Am Krekel“ über Kabel und CCS-Combo-Stecker nachgeladen.

Am 11. Juli 2023 übergab Rampini jetzt zwei weitere Elektro-Midibusse an die Stadtwerke Marburg. Bei dieser Gelegenheit sagte Dr. Bernhard Müller, der Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke Marburg, die beiden bisherigen Wagen hätten sich auf der Linie zum Schloss durch die Oberstadt bestens bewährt, sie seien für diese Linie hervorragend geeignet.

Im Frühjahr 2021 zeigt sich der damals ganz neue Wagen 96 am Schloss | © Christian Marquordt
Am Schloss zeigt sich der neue Rampini Elton Wagen 118 zusammen mit seinem älteren Bruder 96, einem Rampini E 80 von 2021 | © Christian Marquordt

Die beiden neuen Rampini sind vom neuen Typ „Eltron“, dem Nachfolger des E 80. Auch sie sind 8.000 mm lang und 2.200 mm breit. Auf einer Demonstrationsfahrt durch die Oberstadt zum Schloss zeigte sich, dass sie auch keinesfalls breiter sein dürften. In der Höhe messen sie 3.250 mm, ihr Radstand (Abstand von Achse zu Achse) beträgt 3.700 mm. Vorne hat der Wagen einen Überhang von 1.870 mm, hinten einen von 2.430 mm. Beachtlich ist der Wendekreis von nur 14.850 mm – wobei der an der Endhaltestelle oben am Schloss noch zu groß ist, hier muss tatsächlich mit Rückwärtssetzen gewendet werden. Wofür die Busse natürlich eine Rückfahrkamera haben – schließlich muss der Fahrer ja wissen, was hinter seinem Bus los ist. – Das zulässige Gesamtgewicht des Wagens liegt bei 12.000 kg.

Apropos Kamera: Rückspiegel sucht man an den neuen Rampini vergebens. Stattdessen gewähren „Mirror-Eye-Cameras“ den Blick nach hinten. Auf der Fahrt durch die Oberstadt zeigte sich, dass herkömmliche Rückspiegel auch mehr als einmal „abrasiert“ worden wären. Zudem bieten Mirror-Eye-Cameras einen größeren Bildausschnitt und mithin einen besseren Blick hinter den Bus als herkömmliche Spiegel.

Antrieb der Elektro-Midibusse in Marburg

Für den Vortrieb des Busses sorgt der Zentralmotor TM 4 des US-amerikanischen Herstellers DANA, ein hocheffizienter Permanentmagnet-Synchron-Motor mit drei Phasen, der stufenlos bei bis zu 7.000 Umdrehungen pro Minute arbeitet. Die Spitzenleisung des Motors liegt bei 235 kW (320 PS), die Dauerleistung bei 133 kW (180 PS). Beim Bremsen rekuperiert der Motor Strom, das geschieht in drei Stufen. Durch einen Hebel am Lenkrad kann die Rückgewinnung von Strom eingeleitet werden.

Die Höchstgeschwindigkeit der beiden Eltron liegt bei 75 km/h. Der Wagen kann Steigungen von 16 % bewältigen – was in Marburgs Oberstadt trotz steiler Straßen denn doch nicht vorkommt.

Wagen 117 bei der Präsentation | © Christian Marquordt
Die beiden neuen Rampini Eltron vor ihrer Tankstelle | © Rampini

Zur Nachladung der Midibusse

Nachgeladen werden die beiden neuen Rampini wie auch ihre älteren Brüder auf dem Betriebshof über Kabel und CCS-Combo-Stecker. Wird mit 22 Kilowatt-Gleichstrom geladen, dauert das komplette Auffüllen der Batterien zehn Stunden, bei 40 Kilowatt fünf Stunden und 40 Minuten, und eine Schnelladung mit bis zu 120 Kilowatt Gleichstrom vollzieht sich in zwei Stunden.

Die Stadtwerke wollen aber eine ganz andere Nachladetechnik einführen: über einen auf dem Dach montierten Pantographen. Dazu plant man mit Schunk aus dem hessischen Heuchelheim. Der Bus fährt auf dem Betriebshof unter seine Ladestation, der Fahrer betätigt einen Knopf, der Pantograph steigt zur Ladestation auf und der Bus wird nachgeladen. Mit dem Knopfdruck hat der Fahrer alles getan, was für die Nachladung getan werden muss, und kann deshalb unbesorgt nachhause gehen.

Die Batterien

Die Lithium-Eisen-Phosphat (LiFePh)-Batterien des chinesischen Herstellers CATL haben ihren Platz in acht Modulen auf dem Dach des Busses gefunden, Sie haben eine Kapazität von 281 kW. (Bei Montage eines Pantographen auf dem Dach wird sich die Anzahl der Batteriemodule auf sechs und die Kapazität damit auf 210 kW verringern.) Rampini gibt die Reichweite der beiden Marburger Eltron mit mehr als 300 Kilometern an, vorausgesetzt, Klimaanlage und Heizung laufen nicht.

Auf Linie 16, die eine tägliche Laufleistung von 500 Kilometern hat, muss also einmal am Tag der Bus ausgetauscht werden, denn Nachladung auf der Linie ist ja nicht vorgesehen. Die beiden anderen Linien 10 und 20 kommen mit der Reichweite der Batterien aus.

Zur Ausstattung der Wagen

Die beiden neuen Rampini Eltron können 48 Fahrgäste befördern, von denen 14 einen Sitzplatz und 34 einen Stehplatz vorfinden. Dabei stammen die Sitze vom deutschen Hersteller Kiel. Ein Rollstuhl kann mitgenommen werden, dafür gibt es an der breiten Mitteltür eine manuell ausklappbare Rampe.

Die beiden neuen kleinen Marburger sind Zweitürer. Sie haben vorne eine einfachbreite Innenschwenk- und in Wagenmitte eine doppelbreite, aber einteilige Schwenkschiebetür.  Dabei haben sich die Stadtwerke für Türen eines niederländischen Herstellers entschieden.

Während der Demonstrationsfahrt auf der Reitgasse in der Oberstadt | © Christian Marquordt

Rampinis Programm; Vertriebsmanager „international“

Neben dem jetzt nach Marburg ausgelieferten „Eltron“ umfasst das Lieferprogramm von Rampini zurzeit auch den „Sixtron“. Der ist wie der „Eltron“ ein Elektro-Midibus, der aber nur 6.000 mm (6 Meter) lang ist. Mit dem Rampini E 60 hat auch er einen Vorläufer, und auch er hat – mit der neuen Generation – ein deutlich modernisiertes Outfit bekommen. Das Rampini „Stile Energetico“ nennt

Erstmals will Rampini im Oktober auf der Welt grösster reinen Omnibusmesse „Busworld“ in Brüssel ausstellen., und zwar nicht nur „Sixtron“ und „Eltron“. Auf dem Stand soll auch Rampinis flammneuer, acht Meter langer  Wasserstoffbus „Hydron“ seine Weltpremiere feiern

In der Diskussion zum Wasserstoffbus Hydron kam die Frage, ob Wasserstoff zum Antrieb von Bussen denn überhaupt sinnvoll sei. Die Antwort von Rampini war allerdings mehr als eindeutig: „Aber natürlich brauchen wir Wasserstoffbusse.“ Wenn man auch auf dem Land elektrisch fahren wolle, führe kein Weg am Wasserstoffbus vorbei. Man könne nicht überall auf „dem platten Land“ Ladestationen aufbauen, zudem reiche die Elektro-Infrastruktur in abgelegenen Gebieten oft gar nicht aus, eine Nachladestation für Elektrobusse mit hinreichend Strom zu versorgen. „Was also wäre die Alternative? Sollen wir doch weiter mit Dieselbussen fahren?“

Rampini will sich entschieden international aufstellen. So ist neu ein Managementbereich „Internationaler Vertrieb“ geschaffen worden. Zu dessen Leiter hat man einen Italiener berufen, der bislang vier Jahre lang im Management von BMW in München gearbeitet hat. Vier Jahre in Deutschland? Der gute Mann spricht ein hervorragendes, fast akzentfreies Deutsch. Der Verfasser sprach ihn darauf an. Seine Reaktion: „Bei meinem Bayerisch könnten Sie unter Garantie nicht mithalten.“ Der Verfasser, Rheinländer, der er ist,  glaubte es unbesehen – er hat nie vier Jahre in München gelebt – und verzichtete deshalb auf den Wahrheitsbeweis.

La storia Rampini – zur Geschichte von Rampini

1945 gründen Carlo Rampini und Fernanda Pepini die „Rampini Carlo SpA“ (deutsch: Rampini Carlo AG).  Zunächst befasst sich das junge Unternehmen mit der Reparatur und der Wartung vorhandener Fahrzeuge, so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es da reichlich zu tun. In den fünfziger und sechziger Jahren erweitert man das Produkt-Portfolio um Entwicklung und Bau von Spezialfahrzeugen.

Schon in den siebziger und achtziger Jahren kommen der Bau von Feuerwehr- und Flughafen-Fahrzeugen dazu, In den achtziger und neuziger Jahren beginnt auch der Bau von Spezialfahrzeugen für das Militär.

2000 beginnt ein völlig neuer Abschnitt in der Unternehmensgeschichte: Rampini beginnt mit dem Bau von Elektrofahrzeugen, so zum Beispiel von elektrisch angetriebenen Müllwagen. Zudem startet man mit dem Bau von Elektro- und Hybridbussen. Von „Autodromo“ – Carozzeria Autodromo Modena – CAM) – übernimmt man deren Midibus „Alé“. Den wollte MAN mal als eigenen Midibus „Alé“ auf den Markt bringen, auf den IAA 1998 und 2000 stand jeweils ein „MAN Alé“ auf der Messe in Frankfurt. Der Wagen kombinierte bewährte Technik von MAN wie Motor, Getriebe und Achsen mit dem pfiffigen italienischen Styling der Karosserie von Autodromo.

Rampini machte aus dem „Alé“ jetzt einen Elektrobus, mit dem man vor allem in Italien recht erfolgreich ist. Zusammen mit Dr. Caterina Rampini aus dem Rampini-Vorstand rechnete der Verfasser bei der Präsentation in Marburg aus, dass es zurzeit in Deutschland elf Rampini gibt, vier von ihnen allein in Marburg, je zwei in Hamburg und Regensburg. Dottoressa Rampini: „Allein in Wien sind es zwölf. Und Wien hat wesentlich mehr neue Wagen bei uns bestellt.“

Im Sommer 2014 wird vor dem Braunschweiger Hauptbahnhof mit einem Rampini E 80 das induktive Nachladesystem Primove von Bombardier vorgeführt | © Christian Marquordt
Für das „Treppenviertel“ in Blankenese haben die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) zwei Rampini E 80, hier Wagen 1449 vor dem Bahnhof in Blankenes | © Christian Marquordt
Im November 2017 fand in Bonn die Weltklimakonferenz statt. Dazu waren auch zwei Rampinin E 80 aus Wien in Bonn. Hier Wagen 8306 auf der Ludwig-Erhard-Allee | © Christian Marquordt

Zu den Plänen der Stadtwerke Marburg

Als der heutige Betriebshof Am Krekel in den siebziger Jahren eröffnet worden ist, umfasste der Fuhrpark der SWM 55 Busse, und darauf ist der Betriebshof auch ausgelegt. Heute sind es bereits 88 Busse, die längst nicht mehr alle in der überdachten Abstellhalle einen Platz finden. Aber das Gelände ist groß, draußen gibt es genug Fläche, wo Busse abgestellt werden können. Dennoch meint man, sich Gedanken machen zu müssen, denn „in Kürze werden wir über 100 Busse haben.“    

Marburg will – wie denn auch nicht – bis zum Jahr 2030 alle fahrplanmäßigen Leistungen auf Elektrobusse umstellen. Dazu sollen schon um den Jahreswechsel herum ein weiterer Rampini und die ersten 12 Meter langen Elektro-Solobusse in Dienst gestellt werden. Dieselbusse sollen ab 2030 nur noch in Schulbus- und  ähnlichen Diensten eingesetzt werden.

Der Verfasser fragte Geschäftsführer Otto nach den beiden Anhängerzügen der SWM. Seine Reaktion: „Wenn wir könnten, wie wir gerne würden, würden wir die Anhänger abschaffen und die beiden Zugwagen (beide MAN) als Solowagen in unserem Netz laufen lassen. So allerdings müssen wir die beiden Anhängerzüge wie Gelenkbusse einsetzen.“

Und zu Plänen, die beiden Linien 5 und 7 auf Bedienung mit In-Motion-Chargern (Batterie-Oberleitungs-Busse) umzurüsten: Dazu müsste man die beiden Strecken vom Lahntal die Lahnberge hinauf mit einer Obusfahrleitung überspannen. Es gebe jetzt aber Widerstand gegen solche Pläne. Mit folgender Begründung: „Die Batterietechnik macht solche enormen Fortschritte, dass Nachladen unterwegs auf der Linie schon in Kürze nicht mehr nötig sein wird.“

18.07.2023
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