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Noch mehr Einschränkungen im Mülheimer Nahverkehr

Die Strecke durch das Kahlenbergviertel soll stillgelegt werden | D. Budach

Schon seit mehreren Jahren machen die Stadtväter die mittelgroßen Stadt Mülheim an der Ruhr das Defizit im ÖPNV wesentlich für die miserable Situation des öffentlichen Haushalts verantwortlich. Und dabei steht ausgerechnet das Verkehrsmittel im Kreuzfeuer, das andernorts für seine Modernität, Umweltfreundlichkeit und Anpassungsfähigkeit gerühmt wird und weltweit wieder erheblich an Bedeutung gewinnt: Die Straßenbahn.

In Mülheim gibt es ein seit Jahren unglückliches Bild aus rückläufigen Fahrgastzahlen, daraus folgenden Einahmeverlusten und in Konzequenz Angebotseinschränkungen, die wiederum der Nutzerrückgang noch weiter verschärfen. Eine Abwärtsspirale kann man dies wohl nennen, und das in einem Umfeld, in dem landesweit die Zahl der ÖPNV erfreulich nach oben zeigt.

Mülheims Einsparpolitik

Mülheim möchte Straßenbahnverbindungen in großem Stil aufgeben, und hat damit bereits vor etlichen Jahren angefangen. Das aktuelle Szenario scheint den vorherigen zu gleichen: Investitionsrückstände bei der Infrastruktur und die angespannte Finanzlage, die Ersatzinvestititonen nicht möglich mache, hat schon zur Aufgabe der Streckenabschnitte vom Hauptfriedhof zum Flughafen Essen-Mülheim und nach Styrum zur Friesenstraße geführt. Die Abschnitte Heuweg – Uhlenhorst und Oppspring – Kahlenbergstraße – Wertgasse stehen ebenfalls seit Jahren zur Disposition, die Stilllegung ist von den städtischen Gremien beschlossen. Die Rückzahlung von Fördergeldern für einzelne bereits sanierte Teilstücke steht allerdings im Raum und ist wohl mitverantwortlich dafür, dass es bislang noch nicht zur Umsetzung kam.

Nun wurden Ende Mai Pläne veröffentlicht für noch weitergehende Kürzungen veröffentlicht, die die „Ruhrbahn“ – der Betreiber des Straßen- und Stadtbahnnetzes in den beiden Städten Mülheim und Essen – vorgelegt hat. Zur Entlastung des städtischen Haushalts sollen jährlich rund 1,6 Millionen Kilometer weniger an Fahrleistungen erbracht werden, das entspricht fast einem Drittel der insgesamt im Stadtgebiet erbrachten Leistungen. Im Schienenverkehr sind drastische Angebotsreduzierungen vorgesehen, die nicht nur die Ruhrbahn in Mülheim betreffen, sondern auch Auswirkungen auf die Verbindungen in die Nachbarstädte. So sollen Omnibusse nun die Linie 104 auch auf der Aktienstraße und damit komplett ersetzen. Sie fuhr einst durchgehend bis in die Essener Innenstadt und endet heute an der Station Abzweig Aktienstraße im Essener Stadtteil Borbeck nahe der Stadtgrenze, wo auf die 105 ins Essener Zentrum umgestiegen werden muss. Die Aktienstraße, die zum Teil erst vor wenigen Jahren saniert worden ist, würde damit schienenfrei und die Schineneverbindung der beiden Meterspurnetze Essen und Mülheim gekappt. Aufgegeben werden soll außerdem neben den bisher schon zur Sitlllegung benannten Abschnitten auch das Stück der Linie 112 vom Hauptfriedhof bis Oppspring oder Tilsiter Straße, und die Linie 102 soll nicht bis Heuweg, sondern bis Friedhof Broich verkürzt werden. Die Fahrplantakte werden z.T. weiter ausgedünnt werden und auch mehrere Haltestellen im Linienverlauf ersatzlos aufgegeben, um die Umlaufzeiten zu verkürzen. Die Erschließungsqualität wird sich dadurch ebenfalls weiter verschlechtern. Im Busbereich kommen diverse Kürzungen dazu.

Pläne auch für das Regelspurnetz

Beinah noch überraschender sind die aktuellen Pläne für die von der Duisburger Verkehrs-Gesellschaft (DVG) betriebene, städtverbindende Linien 901, die auf rund 2 km im Tunnel verläuft und nach Unterqueren der Mülheimer Innenstadt am Hauptbahnhof endet. Sie soll künftig auf Duisburger Stadtgebiet am Zoo ihre Endstation bekommen – von dort geht es weiter per Bus. Untersucht werden soll eine Verbindung des dann ungenutzten Tunnelabschnitts mit der Stadtbahn-Linie U18, die wie die Duisburger Linie 901 regelspurig ist und aus Richtung Essen von Osten kommend ebenfalls am Mülheimer Hauptbahnhof endet. Gleiskonfiguration und Haltstellenanlagen müssten dazu allerdings angepasst werden und natürlich auch die Bahnsteighöhe auf dem bisher von den Duisburgern befahrenenn Abschnitt. Als künftiger Endpunkt ist eine Station an der Hochschule Nord-West im Gespräch. Die U18 war als seinerzeit als mustergültige, kreuzungsfreie Modellstrecke für den geplanten einheitlichen Ausbau der regelspurigen Stadtbahn Rhein-Ruhr 1977/80 in Betrieb genommen worden. Auf ihr fahren im Gegensatz zur Duisburger Strecke hochflurigen Stadtbahnwagen B. Künftig sind aber auch auf der U18 Angebotseinschränkungen vorgesehen, sie soll nur alle 20 Minuten verkehrten. Das wäre zumindest zu den Lastzeiten eine glatte Halbierung des Taktes.

DÜWAG-Straßenbahnwagen der DVG auf der Linie 901 im Mülheimer Tunnel | Dirk Budach

Mit angebotsorientiertem öffentlichen Nahverkehr, der zusätzliche Nutzergruppen erschließen soll, hat das jetzt präsentierte künftige „Netz 23“ sicherlich nichts zu tun. Vielmehr sind durch die drastischen Einschränkungen weitere deutliche Rückgänge der Fahrgastzahlen zu erwarten, wen alle vorgeschlagenenen Maßnahmen umgesetzt werden. Der Nahverkehr wird damit auf ein Mindestmaß reduziert, das im wesentlichen von den sogenannten „nicht-wahlfreien“ Nutzergruppen in Anspruch genommen werden dürfte. An einem der wesentlichen Einflussfaktoren des hohen Kostenaufwands des Mülheimer ÖPNVs wird dagegen kaum gerüttelt: Die zentralen Tunnelabschnitte in Mülheims Stadtmitte sind nur wenig ausgelastet, sie werden jeweils nur von einer Linie im gestreckten Takt befahren, verursachen aber hohe Betriebs- und Unterhaltskosten. Ihr Unterhaltungszustand lässt deshalb an vielen Stellen zu wünschen übrig. Die Rückzahlung von Fördermitteln ist auch hier einer der Gründe, von Stilllegungsplänen abzusehen.

Eine Übersicht der aktuellen Strecken der Ruhrbahn unter:
http://www.urbanrail.net/eu/de/e/essen.htm

01.06.2019