Es geht um nichts Geringeres als die Zukunftssicherung einer attraktiven und weltweit nachgeahmten Karlsruher Erfindung: Dem Tram-Train, der es Fahrgästen ermöglicht umsteigefrei aus der Region direkt in die Innenstadt zu fahren. Im Rahmen des Projekts VDV-Tram-Train haben jetzt sechs deutschsprachige Verkehrsunternehmen gemeinsam 504 Regionalstadtbahn-Fahrzeuge ausgeschrieben und warten in den kommenden Monaten auf die Angebote der Fahrzeughersteller. Die Vorbereitungen für die Ausschreibung, insbesondere die Erstellung des Lastenhefts, laufen seit dem Jahr 2017.
Die Ausschreibung umfasst neben der Fahrzeugentwicklung, ‑produktion und -zulassung auch einen auf bis zu 32 Jahre angelegten anschließenden Instandhaltungsvertrag mit dem Hersteller. Dadurch entsteht ein Gesamtprojektvolumen von rund 4 Milliarden Euro. „Das ist ein nie dagewesenes Projekt, auf das wir alle stolz sein können. Ich bin froh und erleichtert, dass unsere dreijährige gemeinsame Arbeit nun Früchte trägt. Jetzt sind wir sehr gespannt auf die Angebote“, betont Ascan Egerer, technischer Geschäftsführer der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) und der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK). Die Gesamtprojektleitung liegt bei den Karlsruher Unternehmen.
Sechs Betreiber in Deutschland und Österreich
Die Projektpartner VBK, AVG, Saarbahn Netz, Schiene Oberösterreich, das Land Salzburg und der Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb wollen durch die gemeinsame Großbestellung bis zu eine Million Euro pro Fahrzeug einsparen. „Das war von Anfang an die Zielsetzung, um die Tram-Trains im Vergleich zu günstigeren Vollbahntriebzügen wettbewerbstauglich zu halten und daran haben wir auch festgehalten. Der Industriedialog, den wir im Rahmen des Projekts mit namhaften Schienenfahrzeugherstellern geführt haben, hat gezeigt, dass zum einen die gewünschte deutliche Einsparung für alle Partner möglich ist und zum anderen, dass die Forderungen unseres technischen Lastenhefts vom Hersteller auch tatsächlich umgesetzt werden können“, erklärt Gesamtprojektleiter Thorsten Erlenkötter von den VBK. Es wird eine Standardkonstruktion geben, deren Entwicklungs- und Zulassungskosten sich die Partner teilen: Das ist ein wesentlicher Einsparungspunkt. Des Weiteren sollen fünf Varianten produziert werden, die betreiberspezifische Anforderungen wie zum Beispiel an Einstiegshöhe, Lackierung und Einsatzort erfüllen.
Bis auf das Ausbauprojekt der Salzburger Lokalbahn und der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb werden bei allen Betreibern „Altfahrzeuge“ aus den 1990er und 2000er Jahren ersetzt. Bei der Regionalstadtbahn Neckar-Alb (RSB) handelt es sich um ein 205 km langes, geplantes Zweisystem-Stadtbahnsystem, welches nach dem Karlsruher Modell bestehende Eisenbahn- und neue Straßenbahnstrecken in Tübingen und Reutlingen mit einander verbinden soll. Insgesamt sind Neubaustrecken und Streckenreaktivierungen auf 45 km geplant. Die ersten Strecken bzw. Streckenausbauten sind bereits planfestgestellt, so dass hier frühestens mit einer Eröffnung im Jahr 2025 gerechnet werden kann.
Unterschiedliche Anforderungen
So benötigen die VBK etwa ein Einsystem-Einrichtungsfahrzeug für den Innenstadt-Tram-Verkehr und das Land Salzburg für die Salzburger Lokalbahn eine Version, die nur unter 750 Volt beziehungsweise 1000 Volt Gleichspannung fahren kann. Die Salzburger Lokalbahn soll in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden. Derzeit ist die Verlängerung der Salzburger Lokalbahn vom Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz, eine Verlängerung Richtung Süden sowie der zweigleisige Ausbau zwischen Lamprechtshausen beziehungsweise Ostermiething bis in die Stadt Salzburg mit durchgängigem 15-Minuten Takt.mit durchgängigem 15-Minuten-Takt sowie die Verlängerung der Lokalbahn durch die Stadt in Richtung Süden.
Bildergalerie (zum vergrößern, bitte anklicken):
Weiterhin bekommen die baden-württembergischen Unternehmen, AVG und Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb, deren Fahrzeuge vom Auftrag gebenden Land Baden-Württemberg über die Schienenfahrzeuggesellschaft Baden-Württemberg (SFBW) beschafft werden, Fahrzeuge mit Toiletten, die bei der Schiene Oberösterreich nicht in allen Fahrzeugen vorhanden sein müssen. In Oberösterreich sind vor allem die Züge der Linzer Lokalbahn (LILO) und der Lokalbahn Lambach Vorchdorf-Eggenberg in die Jahre gekommen. Zum Teil kommen hier knapp 70 Jahre alte Fahrzeuge der Baureine ET20 (Westwaggon/ Rastatt), Baujahre 1953 – 1956 sowie der Baureihe ET22 von der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn, Baujahre 1953 – 1954, zum Einsatz.
Erste Fahrzeuge für die Saarbahn im Jahr 2024
Die Saarbahn kauft die Basisvariante und erhält daher auch die ersten Fahrzeuge. Im Juli 2024 erwartet das saarländische Verkehrsunternehmen die ersten vier Vorserienfahrzeuge, um in die Jahre gekommene Tram-Trains auszutauschen. Die AVG und die Saarbahn sind jene Projektpartner, die bereits seit Jahrzehnten erfolgreich ein Regionalstadtbahnsystem betreiben. Die vier anderen Betreiber führen solche Verbindungen zwischen Stadt und Region neu ein und profitieren von den erfahrenen Partnern. „Der Erfahrungsaustausch war auch ein wesentliches Ziel unseres gemeinsamen Projekts. Denn das Schöne an unserer Branche ist: Wir sind keine Konkurrenten, sondern haben alle das gemeinsame Ziel, möglichst viele Menschen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu überzeugen. Dazu braucht es attraktive Angebote, wie die Tram-Train-Systeme in Karlsruhe und Saarbrücken zeigen“, erläutert Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik im VDV.
Bildergalerie (zum vergrößern, bitte anklicken):
Die Auslieferung der Fahrzeuge erstreckt sich dann gemäß einem festen Plan über insgesamt zehn Jahre. „Die Instandhaltung der erworbenen Bahnen schreiben wir direkt mit aus. Das hat den großen Vorteil, dass über die Dauer der voraussichtlichen Fahrzeuglaufzeit der Hersteller für die Instandhaltung verantwortlich ist und damit eine dauerhaft gute Qualität und Verfügbarkeit gewährleistet werden kann“, erklärt Thorsten Erlenkötter. Aus Expertenkreisen ist zu hören, dass die Anzahl der fest bestellten Fahrzeuge mittelfristig zwischen ca. 250 und 350 Fahrzeugen liegen wird. Abhängig von Ausbauplanungen und der Verkehrsentwicklung könnten langfristig bis zu 500 Fahrzeuge beschafft werden.
Ausschreibung ohne Chemnitz und Kassel
Für einige Fachleute überraschend ist die Tatsache, dass die City-Bahn Chemnitz nicht mehr teil der Ausschreibung sind. Noch vor wenigen Monaten hatte der Betreiber die Beteiligung an der Ausschreibung beteuert. Weiterhin nicht Teil des Projekts ist die Regiotram Kassel, die sowohl elektrische Zweisystem- als auch dieselelektrische TramTrains einsetzt.
13.08.2020
[…] beim Hersteller (vor allem der aufwendigen Zulassung nach EBO und BOStrab) profitieren.3)https://www.urban-transport-magazine.com/tram-train-fuer-alle-sechs-unternehmen-starten-gemeinsame-f… jQuery("#footnote_plugin_tooltip_9371_3").tooltip({ tip: "#footnote_plugin_tooltip_text_9371_3", […]