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Unverständlich: Die Zukunft der Naumburger Straßenbahn ist wieder ungewiss

Direkte Umsteigemöglichkeit besteht am Hauptbahnhof - Eingang rechts! | © Dirk Budach

In einer beispiellosen Initiative unter Beteiligung ganz unterschiedlicher Stellen und Personen aus öffentlicher Hand, privater Wirtschaft und zahlloser Bürger nicht nur aus der stadt selbst war es über Jahre nach und nach gelungen, die 1991 stillgelegte kleine Ringstraßenbahn in Naumburg an der Saale zu retten und einen planmäßigen Fahrbetrieb auf Teilen wieder einzurichten. Die privatwirtschaftlich organisierte Naumburger Straßenbahn GmbH (NSB) nahm im Jahr 2007 auf dem ersten Teilabschnitts des früheren Straßenbahnringes den öffentlichen Linienverkehr zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt wieder auf. Sie tat dies ohne eine Mitfinanzierung des Burgenlandkreises, wie ansonsten z.B. für kommunalen Busbetrieb üblich. Dank der Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt konnte die Naumburger Straßenbahn in die ÖPNV-Landesförderung aufgenommen werden, die Stadt Naumburg leistet seitdem regelmäßig ihren Beitrag zur Wartung und Pflege der Infrastruktur. Die Akzeptanz geringer Entlohnung des Personals, die Einahmen aus Fahrgelderlösen und vielen Sonderfahrten, Spenden und sparsamste Wirtschaftsführung ermöglichten jeweils einen ausgeglichenen Haushalt. Der Straßenbahnbetrieb zwischen Hauptbahnhof und Salztor wurde zu einem weit über die Region hinaus anerkannten, wertgeschätzten ÖPNV und zu einem Sympathieträger des Burgenlandkreises und der Stadt Naumburg. 2023 konnten 238.000 Fahrgäste auf der inzwischen auf 2,8 km verlängerten Strecke gezählt werden, ein neuer Rekord, der die eigenen Erwartungen übertrifft. Und die Zahlen wachsen weiter.

Ein mit renommierten Planungsbüros erarbeitetes Entwicklungskonzept sieht nicht nur das Potential von jährlich 460.000 Fahrgästen, sondern auch eine deutlich steigerbare Wirtschaftlichkeit bei einer Taktverdichtung für die Zuganschlüsse in und aus Richtung Leipzig und Halle. In Naumburg hält im Mittel alle 6 Minuten ein Zug, nur die Züge in und aus Richtung Erfurt und Saalfeld haben derzeit einen akzeptablen ÖPNV-Anschluss im Halbstundentakt.

Um die Finanzierung langfristig zu sichern, hat die Geschäftsführung der Naumburger Straßenbahn seit 2019 den Burgenlandkreis um Gespräche für einen Öffentlichen Dienstleistungsauftrag (ÖDA) als Basis für eine EU-konforme Mitfinanzierung gebeten. 2022 bestätigte der Burgenlandkreis erstmals, dass die Naumburger Straßenbahn kein touristisches Freizeitangebot, sondern klassischer ÖPNV ist. Für die Sicherstellung des ÖPNV ist nach dem ÖPNV-Gesetz von Sachsen-Anhalt der Burgenlandkreis als Aufgabenträger zuständig.

Für die Sicherstellung des ÖPNV ist nach dem ÖPNV-Gesetz von Sachsen-Anhalt der Burgenlandkreis als Aufgabenträger zuständig. In Erwartung eines Kreistagsbeschluss zur Vergabe eines ÖDA an die NSB übernahm die Stadt Naumburg für das Jahr 2023 einen zusätzlichen Ausgleichsbedarf. Erst im März 2023 wurden die Gespräche mit dem Burgenlandkreis konkreter. Am 5. Februar 2024 haben die Gespräche ein vorläufiges Ende gefunden.

Nach Angaben der Pressemitteilung der NSB macht der Burgenlandkreis die Mitfinanzierung der Betriebskosten der NSB davon abhängig, dass er die NSB als Gesellschafter kontrollieren kann. Das einschlägige EU-Recht lasse es jedoch zu, dass der Kreis mit der NSB einen Vertrag abschließe, ohne selbst Gesellschafter zu sein. In vielen Regionen des Landes ist dies im Fall von Omnibusverkehren üblich.

Landkreis begründe seinen Standpunkt gegenüber der NSB, verhindern zu wollen, dass aus der NSB heraus unabgestimmt mit dem Kreis Vorschläge für eine Verbesserung des Verkehrsangebots öffentlich vorgetragen werden. Dies betrifft insbesondere Vorschläge zur Einführung eines 15 Minuten-Takt auf der bestehenden Strecke vom Hauptbahnhof zum Salztor. Aus Sicht der NSB kann die Taktverdichtung angesichts des bevorstehenden Anschlusses der S-Bahn, der hervorragenden Zuganbindung Naumburgs, des weitgehend ausgelasteten P+R-Parkplatzes am Hauptbahnhof und der touristischen Bedeutung der Saale-Unstrut-Region ein wichtiges Signal zur erfolgreichen Weiterentwicklung des ÖPNV in der Stadt Naumburg, aber auch für einen nachhaltigen Tourismus sein.

Endstation für die Tram ist aktuell am Salztor | © Dirk Budach
Hervorrangend aufgearbeitete, einsatzbereite Tramwagen aus DDR-Produktion im Depot | © Dirk Budach

Die Diskussion erstreckt sich außerdem auch auf die Bewertung der Vermögenswerte der GmbH und dabei insbesondere der hervorragend aufgearbeiteten, historischen Fahrzeuge, die bei der Bewertung des Wertes der Gesellschaftsanteile durch den Kreis nicht angemessen berücksichtigt werden.

Die Naumburger Straßenbahn hat sich als sinnvolles ÖPNV-Angebot, aber auch als Bestandteil des touristischen Angebots über einen langen Zeitraum und mit vielen Mühen etablieren können. Ein weiterer Angebotsausbau kann ihre langfristiges Überleben sicherstellen. Dank eines zusätzlichen finanziellen Beitrags der Stadt Naumburg kann das heutige Fahrplanangebot der Straßenbahn noch das ganze Jahr 2024 aufrechterhalten werden – doch für die weitere Zukunft ab 2025 sind zeitnahe Beschlüsse und eine Einigung der Beteiligten unumgänglich. Die unzweifelhafte Bedeutung der kleinen Bahn für die Stadt, für ihre Bewohner und ihre Besucher steht hoffentlich bei allen Bemühungen an allererster Stelle.

Wir berichteten u.a. hier über die Naumburger Straßenbahn:

(Info NSB, eigene Recherche)

13.02.2024
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