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Wasserstoff-Brennstoffzellen – emissionsfreie Personenzüge?

SCHWERPUNKTTHEMA: INNOVATION UND TECHNOLOGIE

Auszug aus dem dreibändigen Fachbuch “Rolling Stock in the Railway System”, aus dem Englischen übersetzt von Reinhard Christeller

Das grundlegende Ziel einer drastischen Verminderung von Treibhausgas-Emissionen (THG) führt zu einem starken Druck auch im Bahnsektor, fahrdrahtunabhängige emissionsfreie Personenzüge zu entwickeln. Im Stadtverkehr gibt es bereits Lösungen mit Batteriebetrieb, aber auch wenn die Batterien kein CO2 ausstoßen, haben sie doch einige Nachteile: eine begrenzte Autonomie, eine lange Aufladezeit und eine begrenzte Lebensdauer. Thermische Triebzüge haben diese Nachteile nicht, aber sie verschmutzen, ihre Tage sind gezählt, sie werden allmählich verschwinden.

Die zu lösende Gleichung lautet wie folgt: Keine THG-Emissionen + keine Oberleitungen + hohe Autonomie + schnelles Aufladen = zukünftiges Transportsystem.

Eine vielversprechende Lösung, diese Gleichung zumindest teilweise zu lösen, scheint sich derzeit rasant zu entwickeln: die Wasserstoff-Brennstoffzelle (BZ).

Die Brennstoffzelle könnte in Zukunft zu einem schrittweisen Verzicht auf Dieselmotoren und sogar zum Verschwinden von Oberleitungen führen. Diese Technologie ist schon lange bekannt, Sir Williams Grove entwickelte 1839 seinen Brennstoffzellen-Prototyp und die ersten echten Anwendungen gab es bei den amerikanischen Raumfahrtprogrammen (Gemini und Apollo) in den 1960er Jahren. Jetzt halten Brennstoffzellen nach und nach Einzug in die Welt des Landverkehrs, des Autos und der Bahn.

Wir können sagen, dass im Bahnverkehr eine echte Revolution stattfindet, mit neuen Formen der Energieversorgung von Schienenfahrzeugen. Ursprünglich gab es Kohle, dann Strom und Diesel, heute betritt ein neuer Energievektor die Szene: der Wasserstoff. Der Durchbruch ist noch zaghaft, aber die Verpflichtung, die CO2-Emissionen in kürzester Zeit drastisch zu reduzieren, spielt zu seinen Gunsten. Ein weiterer Kandidat ist auf den Rängen, das sind Batterien, ihre Technologie schreitet schnell voran, aber bis heute bleibt Wasserstoff die einzige Alternative zum Verbrennungsmotor für Vorort- und Fernverkehrszüge auf nicht elektrifizierten Strecken, und das sind noch viele.

Es gibt verschiedene Brennstoffzellentechnologien, abhängig vom verwendeten Brennstoff, der Art des Elektrolyten, der Betriebstemperatur. Die nachfolgende Beschreibung beschränkt sich auf die Proton Exchange Membrane Fuel Cell (PEMFC), die bisher am häufigsten eingesetzte Brennstoffzelle für Bahnanwendungen.

Eine Brennstoffzelle ist nur ein elektrochemischer Wandler wie eine Batterie, aber ohne internen Energiespeicher, die Brennstoffspeicherung, hier komprimierter gasförmiger Wasserstoff, erfolgt extern in Tanks. Die chemische Energie des Wasserstoffs wird über eine Reduktions-Oxidations-Reaktion (Redox-Reaktion) direkt in elektrische Energie umgewandelt: Wasserstoffoxidation durch den in der Luft enthaltenen Sauerstoff.

Die chemische Reaktion läuft wie folgt ab:

An der Anodenseite (negative Elektrode):      H2 → 2H+ + 2e Dissoziation des molekularen Wasserstoffs in Protonen und Elektronen

An der Kathodenseite (positive Elektrode):      ½ O2 + 2H+ + 2e →H2O Rekombination von Protonen, Elektronen mit Sauerstoff zu Wasserdampf.

Die globale Reaktion ist einfach:               H2 + ½ O2 →H2O + Strom + Wärme

Abb. 1: Prinzip einer elementaren PEM-Brennstoffzelle
Abb. 2: Hauptkennlinien einer PEMFC: Spannung, Wirkungsgrad, Leistung versus Stromdichte

Prinzip einer PEM-Brennstoffzelle

Brennstoffzellen erzeugen Strom durch „Verbrennung“ von Wasserstoff, der in Bezug auf den Heizwert dreimal effizienter ist als ein Kohlenwasserstoff (jeweils 33,3 kWh/kg und 12 kWh/kg). Ihr Einsatz hat unbestreitbare Vorteile: keine lokale Verschmutzung (das Produkt der Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff in der Luft ist Wasser!), sehr geringe Geräuschentwicklung, keine Vibrationen und ein Umwandlungswirkungsgrad von mehr als 50 %.

Eine Elementarzelle besteht aus zwei Elektroden, die durch eine Festelektrolytmembran, in der Regel aus Nafion® (du Pont de Nemours), getrennt sind, der Betriebstemperaturbereich liegt zwischen 50 °C und max. 100 °C.

Molekularer Wasserstoff wird an der Anodenplatte in die Gasdiffusionsschicht eingebracht. In Gegenwart der Platinkatalysatorschicht, die die Reaktionen erleichtert und beschleunigt, wird der Wasserstoff H2 in positive Ionen H+ (Protonen) und Elektronen gespalten. Die Protonen durchqueren die Polymermembran, die eine hohe protonische Leitfähigkeit, aber eine niedrige elektronische Leitfähigkeit aufweist, so dass die Elektronen einem externen Stromkreis folgen. An der Kathodenplatte rekombinieren die Protonen und Elektronen mit dem Sauerstoff der Luft und erzeugen Wasserdampf und Wärme (Abbildung 1).

Die theoretische Spannung V0 einer Elementarzelle beträgt 1,23 V, die mittlere Nennspannung VN liegt jedoch bei etwa 0,7 V, abhängig von der Stromdichte (A/cm2) in der Zelle. Der Spannungsabfall ist auf die Summe verschiedener Phänomene zurückzuführen: Aktivierung der elektrochemischen Reaktionen an Anode und Kathode, ohmscher Widerstand von Elektroden und Elektrolyt, Begrenzung der Gasdiffusion in den Schichten (Abbildung 2).

Der Wirkungsgrad der PEM-Brennstoffzelle liegt über 50 %, er entspricht dem Verhältnis der erzeugten elektrischen Energie zur Verbrennungsenergie des Wasserstoffs.

Um eine bestimmte Ausgangsspannung Vstack zu liefern, werden die Elementarzellen in Reihe geschaltet, der Zellstapel bildet den Kern der Brennstoffzelle, der gelieferte Strom Istack ist direkt mit dem Wasserstofffluss im Stapel verknüpft:

Vstack = N ∙ Vcel ∙ Istack= 2 ∙ F ∙ FH2/N

mit:

Vcell elektromotorische Kraft einer Elementarzelle ≈ 0,7 V

N        Anzahl der Zellen in Reihe

F       845 C/mol (Faraday-Konstante)

FH2    Wasserstofffluss durch den Stack (mol/s) mit einem H2-Mol = 2g

Abb. 3: Elementarzelle und Zellenstapel

Die Membran-Elektroden-Anordnung (MEA) ist die Schlüsselkomponente; sie besteht aus den positiven und negativen Elektroden, zwischen denen sich die beiden Platin-Katalysator-Schichten auf beiden Seiten der Elektrolyt-Membran befinden. Sie sind etwa 500 μm dick. Die MEA befindet sich zwischen zwei Bipolar-Platten, die die elektronische Leitfähigkeit gewährleisten, die Produkte (ungenutzte H2, Luft, Wasser) zu- und abführen und die MEA kühlen. Eine Elementarzelle ist insgesamt etwa 5 mm dick (Abbildung 3).

Tatsächlich benötigt der Stack, um ordnungsgemäß zu funktionieren, mehrere wesentliche Hilfsbaugruppen, die das Balance-of-Plant (BOP) bilden, um ein komplettes integrales System zu bilden (Abbildung 4):

  • Wasserstofftank mit Druckregler.
  • Luftkompressor mit Filter.
  • Wärmetauscher: ein Wasserkühlkreislauf mit Pumpe und Lüfter, um dem Stack Wärme zu entziehen. Die Stacktemperatur muss aufgrund der Elektrolytmembran auf ca. 80 °C begrenzt werden.
  • Kreislauf mit Dampfkondensator zur Speicherung und Ableitung des vom Stack produzierten Wassers.
  • Gerät zur Vorwärmung der Luft und ggf. Befeuchtung der Membran.
  • Leistungselektronischer Wandler zur Regelung der Spannung auf der Lastebene, wenn die Stackspannung schwankt.

Die Abbildungen 5 und 6 zeigen einige Hauptmerkmale von PEM-Brennstoffzellen, die im Schienenverkehr eingesetzt werden.

Abb. 4: Ein komplettes Brennstoffzellensystem mit Zubehör (BOP)
Abb. 5: Hochleistungs- und Schwerlast PEM FC velocity Ballard (Ballard)


Abb. 6: PEM-Brennstoffzellen-Leistungsmodule der Baureihe Hydrogenics und deren neuestes Produkt HD 50 kW (Hydrogenics)

Herausforderungen für Brennstoffzellen

Einige Punkte sind noch zu verbessern:

  • Robustere Brennstoffzellen, da die derzeitige Lebensdauer von 10 000 h oder 20 000 h für Bahnanwendungen zu gering ist,
  • Senkung der Betriebskosten, die heute viel höher als bei Dieselmotoren sind,
  • Entwicklung neuer Materialien für Stacks: Bipolarplatten, Elektroden, die Membran, und Verrringerung der benötigten Menge an seltenen und teuren Metallen wie Platin, oder Suche nach einem billigeren neuen Katalysator,
  • Erhöhung der Betriebstemperatur für PEM-Brennstoffzellen.

Wasserstoffspeicher

Der Wasserstoff, der in Brennstoffzellen verwendet wird, ist keine Primärenergie wie Erdöl oder Erdgas, sondern ein Energieträger wie Elektrizität, er muss hergestellt werden, da er in der Natur nicht vorkommt.

Er hat mit 33,3 kWh/kg einen dreimal höheren spezifischen Energieinhalt als Dieseltreibstoff mit 12 kWh/kg, aber es ist das leichteste Gas (90 g/m3 bei 1 bar, 0 °C). Die Folge ist, dass seine Energiedichte bei 1 bar, 0 °C sehr gering ist: 1000 l H2 (1 bar, 0 °C) enthalten 3 kWh, so viel wie 0,3 l Diesel! Um das Volumen der Behälter zu reduzieren, muss der Wasserstoff daher komprimiert oder verflüssigt werden. Seine Lagerung ist eine echte Herausforderung, vor allem für Transportanwendungen, wo der verfügbare Raum im Fahrzeug begrenzt ist.

Derzeit gibt es drei Hauptmethoden, um Wasserstoff zu speichern:

  • Gasverdichtung bei 350 oder 700 bar,
  • Verflüssigung bei -253 °C,
  • Lagerung in Feststoffen, Metallhydriden.

Wasserstoff in gasförmiger Form, komprimiert bei 350 bar (23 kg/m3) oder 700 bar (42 kg/m3), gespeichert in Druckbehältern mit Verbundstruktur, ist der beste Kompromiss zwischen Energiedichte und Kosten für die Kompressionsenergie, die etwa 15 % der gespeicherten Energie ausmacht. Die Behälter des Typs 4 bestehen aus einer zylindrischen, wasserstoffdichten Kunststoffauskleidung, die mechanisch mit Kohlefasern verstärkt ist. Aus Sicherheitsgründen müssen die Behälter einem Überdrucktest bei 2,5 ihres Nenndrucks standhalten (Abbildung 6).

Die Verflüssigung von Wasserstoff bei -253 °C erhöht die Energiedichte auf 71 kg/m3 , verbraucht aber bis zu 35 % der gespeicherten Energie. Außerdem sind die Masse und das Volumen der Behälter wegen der zusätzlichen thermischen Isolierung zur Aufrechterhaltung des flüssigen Zustands des H2 bei -253 °C fast so groß wie bei Behältern, für bei 700 bar komprimierten Wasserstoff. Diese letzte Lösung wird für den Bahntransport als nicht sehr interessant angesehen.

Die Speicherung in Festkörpern, zum Beispiel in Magnesiumhydrid MgH2, ergibt eine Energiedichte von 106 kg/m3 und eine spezifische Energie von 76 g/kg MgH2, aber die Absorptions- und Desorptionskinematik des Wasserstoffs ist langsam, der Prozess muss bei 10 bar und 300 °C erfolgen, um die Reaktionen zu beschleunigen. Diese Lösung ist vor allem für stationäre Anwendungen interessant, um große Mengen an Wasserstoff z. B. in Tankstellen zu speichern.

Zusammenfassend scheint für den Landtransport und zur Zeit die Verdichtung auf 350 oder 700 bar die beste Lösung zu sein. Mit den Verbundtanktechnologien ist es derzeit möglich, 60 g H2/kg Tankmasse und 30 g H2/l Tankmasse zu erreichen, was etwa 2 kWh/kg Tankmasse und 1 kWh/l Tankmasse entspricht. Aber die Forschung geht weltweit weiter mit einer kontinuierlichen Verbesserung der Leistung der Behälter in Bezug auf Kompaktheit, Masse und Sicherheitsaspekte.

WasserstoffHerstellung

Die Wasserstoffproduktion ist ein weiteres Problem. Heute werden 95 % des Wasserstoffs durch Dampfreformierung von Methan oder Ethan erzeugt, wodurch das Treibhausgas CO2 entsteht. Die „saubere“ Lösung ist die Wasserelektrolyse mit Elektrizität aus erneuerbaren Energien, wobei etwa 5 kWh Strom benötigt werden, um ein Nm3 (0 °C, 1 bar) H2 zu erzeugen, das sind 3 kWh, was einen Umwandlungswirkungsgrad von 60 % ergibt. Auch wenn dieser Wirkungsgrad nicht sehr hoch ist, besteht einer der Vorteile dieser Lösung darin, dass Wasserstoff zu einem Mittel zur Speicherung der intermittierenden Energien wird, die von Solar- und Windkraftwerken erzeugt werden.

Auch die Verteilung des Wasserstoffs ist eine schwierige Frage. Zwei mögliche komplementäre Lösungen werden ins Auge gefasst: eine zentralisierte Produktion mit großen Elektrolyseuren mit Verteilung durch Pipelines oder lokale kleinere Elektrolyseure in der Nähe der Nutzungsstandorte im Wissen, dass der Stromtransport einfacher ist als der Wasserstofftransport.

Um eine großflächige Entwicklung von Brennstoffzellen im Schienenverkehr zu ermöglichen, braucht es eine neue Art der Wasserstofferzeugung und eine geeignete Infrastruktur.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Methoden und Mittel zur Herstellung, Verteilung und Speicherung von Wasserstoff Barrieren darstellen, die eine schnelle Durchdringung des Bahnmarktes mit Brennstoffzellen noch bremsen. Eine noch kompaktere Speicherung an Bord und der Aufbau eines Netzes von Wasserstofftankstellen sind wichtige Punkte, die angegangen werden müssen.

Wasserstoff-Risikomanagement

Die Verwendung von Energie, in allen ihren Formen, gasförmig, elektrisch oder flüssig, birgt Risiken, insbesondere wenn sie in einem geschlossenen System und stark konzentriert ist, Wasserstoff ist keine Ausnahme von der Regel. Wie bei allen anderen Brennstoffen besteht auch bei Wasserstoff die Gefahr von Bränden und Explosionen, wenn die Durchführungsbestimmungen und Vorschriften nicht befolgt werden; die meisten Unfälle sind auf organisatorische oder menschliche Faktoren zurückzuführen. Die Risiken der Entflammbarkeit und Explosion sind in der industriellen Welt seit langem bekannt, sie müssen auf allen Ebenen vorausgesehen und beherrscht werden: Konstruktion, Produktion, Verwendung und Wartung. Ihre Eintrittswahrscheinlichkeit wird sehr gering gehalten, wenn die Regeln der Vorbeugung, Erkennung und Kontrolle gemäß den verschiedenen geltenden Richtlinien, Normen und Leitlinien angewendet werden.

Die ISO hat einen technischen Bericht FD ISO/TR 15916-2014 herausgegeben, der sich mit grundlegenden Überlegungen zur Sicherheit von Wasserstoffsystemen befasst, und viele IEC- oder EN-Normen sowie Regelwerke behandeln das Thema.   

Wasserstoff gilt aufgrund seiner physikalisch-chemischen Eigenschaften im Vergleich zu denen von Methan oder Benzin als „leicht entzündlich“, entsprechend der untenstehenden Tabelle (Abbildung 7), mit folgenden Folgen:

  • Neigt aufgrund seiner geringen Dichte, die mit der winzigen Größe seines Moleküls zusammenhängt, und seiner niedrigen Viskosität leicht zum Auslaufen.
  • Eine hohe Zündwahrscheinlichkeit in der Luft aufgrund der geringen Zündenergie, ein Funke oder eine Flamme ist ausreichend.
  • Aber eine geringe Explosionswahrscheinlichkeit im Freien aufgrund seiner Eigenschaft, sich schnell zu verteilen.
  • Eine schnelle Verbrennungsgeschwindigkeit, die zu einer möglichen Verpuffung (Unterschall-Explosion) führt.
Abb. 7: Physikalisch-chemische Eigenschaften von Wasserstoff im Vergleich zu Methan und Benzindampf

Unter Berücksichtigung dieser Wasserstoff-Eigenschaften werden mehrere Risiken eindeutig identifiziert und entsprechende Verfahren zur Vorbeugung, Überwachung und Korrekturmaßnahmen müssen ergriffen werden:

  • Gegen Wasserstofflecks: Materialauswahl, Dichtungskontrolle, H2-Detektoren, natürliche oder erzwungene Belüftung, um eine H2-Konzentration über 4 % in der Luft zu vermeiden, die eine Entzündung hervorrufen kann.
  • Gegen Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch im Inneren von Geräten wie Elektrolyseuren oder Kompressoren: Vermeidung geschlossener Räume, abgedichteter Gehäuse, da Wasserstoff leicht ist und dazu neigt, sich in den oberen Teilen der Geräte anzusammeln; offene Räume und Belüftung sind die besten Möglichkeiten, diese Risiken zu mindern.

Vergleich Wasserstoffsystem mit anderen elektrischen Versorgungssystemen

Es ist interessant, eine Momentaufnahme des Stands der Technik zu machen, wenn man bedenkt, dass sich alle Technologien sehr schnell weiterentwickeln.

Die folgende Tabelle fasst die drei heute gängigen Methoden zur Energieversorgung eines auf nicht elektrifizierten Strecken fahrenden Schienenfahrzeugs zusammen (Abbildung 8).

  • Akku Li-Ion.
  • Mit Diesel betriebene Wärmekraftmaschine.
  • Mit Wasserstoff betriebene PEM-Brennstoffzelle.

Der Tank-to-Wheel-Vergleich wird für das Speichersystem allein (ohne das Umwandlungssystem) durchgeführt, er berücksichtigt die unterschiedlichen Wirkungsgrade, um die an Bord verfügbare Nettoenergie für Traktions- und Hilfssysteme zu berechnen.

Auch wenn die spezifische Energie von Wasserstoff dreimal höher ist als die von Diesel, sind die Verhältnisse nicht günstig für Wasserstoff, das Verhältnis Diesel/H2 für die spezifische Nettoenergie ist 3, für die Energiedichte liegt das Verhältnis zwischen 6 und 7.

Als Beispiel: Für einen EMU-Zug, der ca. 4 kWh/km am Rad benötigt, mit einer Autonomie von 600 km ist es notwendig, 160 kg H2 bei 700 bar an Bord zu installieren, das komplette Speichersystem wiegt 2890 kg oder 720 l Diesel mit einem Speichersystem von 910 kg.

Interessant ist auch der Vergleich der Gesamtsysteme einschließlich der Energiewandler, deren Massen hauptsächlich von der installierten Leistung abhängen, hier ca. 400 kW, ein für einen EMU-Triebwagenantrieb üblicher Wert. Die Kurven der Abbildung 9 zeigen die Entwicklung der Gesamtmasse des Energiesystems in Abhängigkeit von der an Bord nutzbaren Nettoenergie. Der Vergleich erfolgt mit einem 390 kW 3300 kg schweren MTU® 6H1800 R84P Elektro-Diesel-Kraftpaket und einem Brennstoffzellensystem, bestehend aus zwei Ballard® FCvelocity® XD200 200 kW, die jeweils 1000 kg wiegen.

Abb. 8: Vergleich von drei Arten der elektrischen Energieversorgung eines autonomen Schienenfahrzeugs

Das Li-Ionen-Batteriesystem erscheint als gute Lösung für geringen Energiebedarf (100 kWh bis 200 kWh) und Kurzstreckenautonomie (<100 km). Für eine höhere Nettoenergie ist die Brennstoffzelle bis ca. 1500 kWh interessant, über 1500 kWh ist die Massenbilanz zugunsten der Wärmekraftmaschine. Natürlich werden sich diese Werte in Zukunft für Brennstoffzellen und Batterien mit der Verbesserung der jeweiligen Technologien ändern.

Abb. 9: Gesamtmasse der elektrischen Energieversorgungssysteme versus an Bord verfügbare Nettoenergie

Wasserstoff-Energieeffizienz

Im Vergleich zu einem Batteriesystem verbraucht ein Wasserstoff-Brennstoffzellensystem 2 bis 3 mal mehr elektrische Energie (Abbildung 10). Dies ist eine Tatsache, die auf die unterschiedliche Umwandlungseffizienzen zurückzuführen ist. Aber in Wirklichkeit ergänzen sich diese beiden Energiequellen entsprechend ihrer jeweiligen Anwendung, wobei es ideal ist, sie zu gruppieren, wie es bei Hybridfahrzeugen der Fall ist.

Für leichte Fahrzeuge mit Kurzstreckenautonomie ist der Einsatz von Batterien sicherlich die beste Lösung, um Umweltverschmutzung und elektrische Oberleitungen zu vermeiden, aber für schwerere Fahrzeuge, die mehr Energie über mittlere und lange Strecken benötigen, sind Brennstoffzellen die einzigartige Alternative zum aktuellen thermischen System für einen CO2-freien Betrieb. Ein weiterer Punkt, der zu berücksichtigen ist, ist die Verfügbarkeit der Zugflotte, die Wasserstoffbetankungszeit ist kurz, etwa 10 bis 15 Minuten, im Vergleich zur Batterieladung, die mehrere Stunden dauert, dies reduziert die Zeit der Stilllegung in der Werkstatt oder am Ende der Strecke.

Abb. 10: Vergleich der Gesamtenergieeffizienz von batterieelektrischem Fahrzeug und PEM-Brennstoffzellen-Elektrofahrzeug mit zentraler oder Vor-Ort-Wasserstofferzeugung

In der Tat sind Hybridzüge, die Batterie und Brennstoffzelle kombinieren, die beste Kompromisslösung, die Leistungsschwankungen werden für die Brennstoffzelle minimiert, die dann die durchschnittliche Leistung liefert, während die Batterie die Ergänzung liefert, einschließlich der Leistungsspitzen beim Anfahren. Die Batterie gewinnt die kinetische Energie des Zuges beim dynamischen Bremsen wieder zurück, und die Brennstoffzelle lädt sie im Leerlauf oder bei sehr niedriger Traktionsleistung wieder auf.

Realisierungen von brennstoffzellenbetriebenen Elektrofahrzeugen

Zahlreiche Prototypen oder Demonstratoren werden seit über zehn Jahren im Bahnbereich entwickelt und getestet, in jüngster Zeit sind Serien von Straßenbahnen und Personenzügen im kommerziellen Einsatz, im Folgenden nur einige davon:

  • 2006 Japan: RTRI-Projekt mit einem Prototyp-Triebwagen, FC 120 kW, H2 350 bar.
  • 2009 USA: Green Goat BNSF/LLC Rangierlokomotive Prototyp FC 250 kW, H2 350 bar.
  • 2015 China: Sifang FC Straßenbahn, Weltneuheit, FC 200 kW, 7+8 Straßenbahnen im kommerziellen Einsatz.
  • 2017 China: Tangshan Hybrid-Straßenbahn, Weltneuheit, FC 200 kW + Batterien + Supercaps, kommerzieller Betrieb.
  • 2017 Deutschland: Weltneuheit, Alstom Hybrid-EMU iLint, erste Serie von 14 Zügen, 2 BZ 200 kW + 2 Batterien 225 kW, H2 350 bar.

Darüber hinaus wurden neben 27 Serien iLint Zügen von Alstom für den Verkehrsverbund Rhein-Main (RMV) seit dem Jahr 2019 in Deutschland, Großbritannien, Spanien, Frankreich, Italien und den USA mehrere Wasserstoffzugpilotprojekte verschiedener Hersteller und Projektpartner, darunter u.a. Siemens, die University of Birmingham, Ballard, CAF/ Toyota Motor Europe sowie Alstom und Stadler gestartet. Wir werden an dieser Stelle demnächst detailliert über diese Projekte und Fahrzeugentwicklungen berichten.

Der Alstom iLint Hybridzug ist der erste Personenzug der Welt, der mit Wasserstoff-Brennstoffzellen ausgestattet ist. Eine Serie von 14 zweiteiligen Zügen + 33 Optionen wurde 2017 von der Niedersachsen-LNVG (Deutschland) bestellt und zwei davon waren von September 2018 bis März 2020 im kommerziellen Einsatz auf der Strecke Buxtehude – Bremervörde – Bremerhaven – Cuxhaven (Niedersachsen). Anschließend wurden mit den Zügen zahlreiche Test- und Vorstellungsfahrten durchgeführt, u.a. Vorführfahrten in mehreren Regionen Deutschlandweit, drei Monate im Fahrgasteinsatz bei den ÖBB in Österreich sowie in den Niederlanden.

Abb. 11: Aufbau des hybriden Brennstoffzellen-Zuges Coradia iLint (Alstom)

Der Zugverband besteht aus zwei Triebwagen (Abbildung 11). Jeder Wagen ist mit den folgenden Unterbaugruppen ausgestattet:

  • Auf dem Dach montierte 200-kW-PEM-Brennstoffzellenkomposition aus 6 x 33-kW-FC-HyPM™-HD30-Leistungsmodulen von Hydrogenics (Abbildungen 12 und 13),
  • auf dem Dach montierte X-STORE® Wasserstoffbehälter mit 90 kg H2 bei 350 bar von Hexagon-Xperion. (Abbildung 14),
  • Unterbau-Li-Ionen-Batterie von Akasol: 111 kWh-800 V – 225 kW Mittelwert, 450 kW Spitze (Abbildung 15),
  • Fahrmotor im Untergestell, Traktionsausrüstung und Hilfsumrichter.

Die Leistung des Zuges ist ähnlich wie die des dieselbetriebenen iLint 54, dem ursprünglichen Zug, der in einen brennstoffzellenbetriebenen Zug umgebaut wurde. Mit 180 kg Wasserstoff beträgt die geschätzte Autonomie zwischen 600 und 800 km je nach Streckenprofil, Betriebsbedingungen, Halten …. Der maximale Wasserstoffverbrauch liegt bei etwa 0,3 kg H2/km, die Höchstgeschwindigkeit bei 140 km/h.

Marktentwicklung und Ausblick

Über die oben genannten Projekte hinaus gibt es europa- und weltweit zahlreiche Projekte, die den Einsatz von Wasserstoff im Schienenverkehr vorsehen. Neben den Brennstoffzellenzügen für den Regional- und Nahverkehr gibt es mittlerweile auch erste Studien und Projekte für Lokomotiven für den Einsatz im schweren Güterverkehr.

Nach den ersten SPNV Ausschreibungen für Brennstoffzellenzüge in Deutschland, befinden sich weitere Projekte in der Vorbereitung, wo bei an einigen Stellen die Brennstoffzellentechnik sich gegen batteriebetriebene Elektrotriebzüge, die die vorhandene Oberleitung nutzen können, behaupten muss.

Wie stark sich der Brennstoffzellenantrieb im Schienenverkehr durchsetzen wird, hängt unter anderem auch von der lokalen und globalen Energie- und Wasserstoffpolitik und daraus abgeleiteten Produktionsmengen für Wasserstoff ab.

Fazit zu Wasserstoff-Brennstoffzellen

Ein sauberes CO2-freies Bahnsystem muss Strom aus erneuerbaren Quellen nutzen. Das beste System ist natürlich das vollelektrische Fahrzeug, das durch eine Oberleitung gespiesen wird, wie es in 60 % der Netze in Europa der Fall ist. Für die 40 % nicht elektrifizierten Strecken ist die Versorgung durch ein Wasserstoff-Brennstoffzellensystem die ideale Alternative zur derzeit üblichen Wärmekraftmaschine über lange und mittlere Strecken. Wenn diese neue Art der Versorgung aufgrund ihrer langsamen Durchdringung des Bahnmarktes im Moment noch teuer ist, muss man im Gegenzug die Kosten für die Installation von Oberleitungen und Unterstationen und deren Wartung während ihrer gesamten Lebensdauer berücksichtigen, ohne die Probleme im Zusammenhang mit der relativen Anfälligkeit von Oberleitungen und der Stromabnahme unter ungünstigen klimatischen Bedingungen zu vergessen.

08.06.2021
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