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Wrightbus – Portrait eines Busherstellers

Wright Streetdecker mit Wasserstoff-Antrieb | © Wrightbus

Am 31. Mai 2022 berichtete urban-transport-magazine, dass die Regionalverkehr Köln bei Wrightbus aus dem nordirischen Ballymena 20 Wasserstoffbusse des Typs „GB Kite Hydroliner FCEV“ fest bestellt hat – für weitere 40 Wagen gibt es eine Option. Das ist insoweit eine ungewöhnliche Meldung, als Wrightbus (kurz auch „Wright“ genannt) zwar sehr viele Busse nach Großbritannien und Irland geliefert hat und liefert, dafür aber jenseits der Inseln, also auf dem „europäischen Kontinent“, eigentlich ganz und gar unbekannt ist.

Da liegt es doch nahe, sich einmal anzusehen, wer Wrightbus denn ist.

Die Gründung

1946 gründen Robert Wright und sein Sohn William das Unternehmen Robert Wright and Son Coachbuilders. Sohn William übernimmt von Anfang an die Geschäftsführung, Vater Robert ist zuständig für die Technik. Sitz des Unternehmens ist Ballymena in der Nähe der nordirischen Ostküste.

Zur Geschichte von Wrightbus

1950 erhält das junge Unternehmen seinen ersten größeren Auftrag. Das „Tyrone County Education Commitee“ bestellt bei Wright mehrere Schulbusse, die auf Fahrgestellen des britischen Nutzfahrzeug-Herstellers Commer aufgebaut werden.

Für einen Bus aus dem Jahr 1950 präsentiert sich dieser Wright formschön und modern | © Wrightbus

In den ersten Jahren verdient Wright sein Geld auch damit, dass man neue Aufbauten auf alte Fahrgestelle setzt. 1960 ist nach nunmehr 14 Jahren aus dem kleinen Karosseur ein großes Unternehmen mit vielen Mitarbeitern geworden. Die Leitung der Firma liegt unverändert in den Händen von Robert und William Wright. 1967 konstruiert Jack Kernohan einen Lastwagen-Aufbau für Absetzmulden und einen Anhänger für den Transport von Baggern. Kernohan ist einer der am meisten geschätzten Mitarbeiter von Vater und Sohn Wright.

1973 kann Wright einen Auftrag über 20 Busse seines Typs „Endurance“ an „Greater Manchester Buses“ ausliefern. Die Initialen GM dieses Betriebs werden zum Spitznamen für diese Busse: „GM-Busse“. Das Werk von Wright bietet inzwischen so viel Platz, dass sie alle gleichzeitig gebaut werden können, Und Wright erhält für sie die Auszeichnung „Superbus“.

Mit diesen erfolgreichen Bussen für Manchester aus dem Jahr 1973 begann der Busbau „in größerem Stil“ | © Wrightbus

1978 liefert Wright seinen ersten Bus mit einer Karosserie aus Aluminium aus. Fünf Jahre später, im Jahr 1983, beginnt Wright, auch Reisebusse zu bauen, die gehobenen Luxus bieten. Die Baureihe erhält den Namen „Contour“. Wright sagt heute, in Sachen Design sei der Contour seiner Zeit deutlich voraus gewesen. Und tatsächlich, man meint eine gewisse Ähnlichkeit zu Neoplan zu erkennen, und im Styling war Neoplan seinen Mitbewerbern immer um einiges voraus.

2001 verlässt der erste Gelenkbus (britischer Spitzname „Bendibus“) die Werkshallen in Ballymena. Der Wagen geht in die Erprobung auf der Londoner Linie 207. Wright sagt dazu heute: „Gelenkbusse sollten Straßenbahnen überflüssig machen.“

Wright-Gelenkbus | © Wrightbus
Im Jahr 2004 ist ein Eclipse Gemini im Werk im Bau | © Wrightbus

Ebenfalls 2001 präsentiert Wrightbus seinen Niederflur-Doppeldecker „Eclipse Gemini“. Und schon im folgenden Jahr 2002 erweist der Wagen sich als ausgesprochener Verkaufsschlager. Schon 2004 läuft der tausendste Gemini von den Bändern. Geliefert wird der Wagen an Arriva, er kommt für “Transport for London“ zum Einsatz.

2006: zum 60-jährigen Jubiläum zieht Wrightbus Bilanz. Die 60 Jahre seien nicht immer einfach gewesen. „Aber wir bei Wright glauben auch nicht an einfache Lösungen.“

Im Jahr 2011 entstehen bei Wright die ersten Prototypen des Busses, der heute außerhalb des Vereinigten Königreichs wohl das bekannteste Produkt der Nordiren ist. Die Rede ist von jenem Doppeldecker, der die Nachfolge des legendären Londoner Routemasters (Fahrgestell: AEC, Karosserie: Park Royal) antreten soll. Wesentliche treibende Kraft hinter diesem Projekt ist der damalige Londoner Lord Mayor (Oberbürgermeister) Boris Johnson. Den man heute in anderer Funktion kennt. Johnson erweist sich als wahrhaft konservativ, denn er besteht darauf, dass der neue Doppeldecker ein paar Eigenheiten des alten Routemasters mit auf seinen Lebensweg bekommt. Zwar ist der „Borismaster“ ganz anders als sein Vorgänger sogar ein Dreitürer (der Routemaster hatte nur eine offene Heckplattform), aber Johnson besteht darauf, dass auch der Neue eine offene Heckplattform haben solle. Man weist Johnson darauf hin, dass der Bus in dieser Ausführung nicht als Einmannwagen laufen dürfe, sondern dann eben mit Schaffner auf die Linie müsse, was den Einsatz dieser Wagen erheblich verteuern werde. Aber Johnson lässt sich von seiner Idee nicht abbringen. Die ersten „Borismaster“ kommen tatsächlich mit offener Heckplattform auf die Straße.

Der neue Doppeldecker, der auf einem Fahrgestell von Volvo basiert, wird bei Wright gebaut. Wobei der nordirische Busbauer sich eben an die Vorstellungen seines Auftraggebers halten muss.

„Borismaster“ in London an der Victoria Station | © Rüdiger Schuckay
Heckansichten | © Rüdiger Schuckay

2012 beginnt die Serienfertigung des „Borismasters“. Schon bald werden neue Wagen aus Sicherheitsgründen doch nur noch mit einer geschlossenen Heckplattform ausgeliefert, bei den älteren Doppeldeckern, die schon im Einsatz sind, wird die dritte Tür nachgerüstet. Ähnliches gab es um 1960 auch bei der BVG in Berlin: die Doppeldecker des legendären Typs Büssing-„D 2 U“, die bis dahin mit offener Heckplattform durch die Stadt gefahren waren, bekommen nun auch im Heck Türen.

Im Jahr 2017 hat Wright exakt 1000 Exemplare des „Borismasters“ gebaut. Und damit wird die Produktion dieses Typs beendet. Der nüchterne Kommentar dazu lautet: aufgrund spezifischer Besonderheiten, die der Kunde (Transport for London) so habe haben wollen, habe der Nachfolger des Routemaster sich nicht sonderlich bewährt. Sein Vorbild, der Routemaster, hat es auf weit über 3000 Exemplare gebracht, und die waren so solide, dass sie vielfach – bei täglichem Einsatz – rund 50 Jahre alt geworden sind. Gewissermaßen „unkaputtbar“.

Aber im Jahr 2017 endet nicht nur der Bau des „New Routemaster“ („Borismaster“), sondern es verlässt auch der erste Bus mit Wasserstoff-Antrieb die Werkshallen. Wright ist also auch bei der Einführung neuer Techniken vorne mit dabei.

Und um mal einen Eindruck von der Größe des Unternehmens zu geben: 2017 erzielt Wrightbus Umsatzerlöse in Höhe von 181 Millionen britischer Pfund.

Gehen wir noch einmal zurück ins Jahr 2014. Wrightbus präsentiert die neue Linien-Doppeldecker-Baureihe “Streetdeck“. Sie kommt sehr bald auch in einer Hybrid-Version und als Batterie-Elektrobus auf den Markt. Und auch die Ausführung mit Wasserstoffantrieb lässt nur bis 2020 auf sich warten. Wright: „Wir sind jetzt der Anführer der Transport-Industrie in Richtung grüne Mobilität.“

2019 gerät Wright in die Insolvenz. In der gesamten Busindustrie sind die Auftragseingänge drastisch eingebrochen. Es gelingt aber verblüffend schnell, nämlich innerhalb weniger Wochen, einen neuen Eigentümer zu finden. Der übernimmt das Unternehmen, um es fortzuführen. Neuer Eigentümer ist Jo Bamford, neue Muttergesellschaft die „Bamford Bus Company“. Bekannt aus dem „Imperium“ von Jo Bamford sind die Baumaschinen des Herstellers JCB.

Im Jahr 2021 stellt Wrightbus mit dem „Hydroliner“ einen neuen Doppeldecker-Typ vor. Er produziert in einer Brennstoffzelle seinen Fahrstrom selber. Der erste Hydroliner geht an die First-Group für Aberdeen, aber auch noch im Jahr 2021 wird auch schon der erste Hydroliner nach London ausgeliefert.

Ebenfalls im Jahr 2021 präsentiert Wrightbus einen neuen Batterie-Doppeldecker mit dem Namen „Blue Electroliner BEV“. Und auch in das Jahr 2021 fällt, dass die Busse von Wright jetzt auch mit Telematik-System lieferbar sind.

So könnte der RVK-Bus aussehen | © Wrightbus

2022 erhält Wrightbus mit der Bestellung der Regionalverkehr Köln (RVK) seinen ersten Auftrag in der Unternehmens-Geschichte über Busse für ein Land mit Rechtsverkehr. Da mag man sich fragen, wie es zu dieser Order gekommen ist. Die RVK hat eine sehr einfache Antwort auf diese Frage: Wrightbus habe ein sehr wirtschaftliches Angebot vorgelegt. Zudem sei dieses Angebot auch sehr gut in der Frage des Service gewesen, wenn die Wagen mal in Betrieb stehen.

Und ebenfalls in das Jahr 2022 fällt die Bestellung von 800 batterie-elektrischen Doppeldeckern durch die National Transport Authority (NTA) der Republik Irland. Die Wagen sollen innerhalb von fünf Jahren ausgeliefert werden. 100 „Streetdeck Electroliner“ sind bereits fest für die irische Hauptstadt Dublin vorgesehen, 20 weitere sollen an „Bus Eireann“ gehen.

Demnächst in noch größerer Zahl in Dublin | © Wrightbus

Womit es genug der Geschichte von Wrightbus sein soll. Es zeigt sich, dass Wright kein kleines Unternehmen ist, und dass man bei technischen Neuerungen immer vorne mit dabei war, wenn man sie nicht sogar selber angestoßen hat.

Die Werke

Heute hat Wrightbus Werke in Ballymena und in Galgorm. Und das Unternehmen beschäftigt 1.400 Mitarbeiter.

Wrightbus stellt sich betont international auf

Ein sehr wirtschaftliches Angebot an die RVK? Das spricht nicht nur dafür, dass Wrightbus sich zutraut, zu attraktiven Konditionen liefern zu können, sondern dass man in Ballymena auch neue Märkte erschließen will – zum Beispiel den deutschen. Dazu passt, dass Wright bewusst in den letzten Monaten europäische Führungskräfte in sein Management berufen hat. Den Anfang machte der Franzose Jean-Luc Deflandre, der seit Anfang des Jahres Vertriebschef bei Wright ist. Deflandre war zunächst im Vertrieb des chinesischen Elektrobus-Herstellers BYD tätig und wechselte dann ins Management des 2012 gegründeten niederländischen Elektrobus-Startups Ebusco. Dass Ebusco in den nur zehn Jahren seit seiner Gründung zu einem der großen Player auf dem Gebiet der Elektrobusse geworden ist, der zudem mit bahnbrechenden Innovationen die ganze Branche voranbringt – als Beispiel sei der neue Elektrobus „Ebusco 3.0“ mit seiner Karosserie aus Composite und seinen Batterien unter dem Fußboden genannt – ist nicht zuletzt das Verdienst des bisherigen Vertriebschefs Jean-Luc Deflandre.

Ab September folgt jetzt der Deutsche Jörg Hofmann als CEO (Chief Executive Officer), also als oberster Chef (Vorstandsvorsitzender) des Unternehmens. Auch Hofmann ist ein erfahrener Hase auf dem Gebiet des Kraftfahrzeugbaus: bislang war er CEO bei der britischen LECV (London Electric Commercial Vehicles), die eine batterie-elektrische Version des berühmten Londoner Taxis herstellt. Gerade in letzter Zeit konnte LECV eine ganze Reihe elektrischer „Londoner“ Taxis in mehrere deutsche Städte liefern, in denen diese Fahrzeuge in On-demand-Verkehren eingesetzt werden. Genannt seien als Beipiele – und in alphabetischer Reihenfolge – Berlin, Dormagen, Hamburg, Köln … usw.

Als Geschäftsführer konnte Wrigthbus Neill Collins gewinnen, der diese Position bislang bei der österreichischen Firma „Rubble Master“, einem Unternehmen für Förderbänder und Brechanlagen, innehatte.

Kurz zusammengefasst: Wrightbus holt sich viel internationale Expertise ins Haus.

Wrightbus definiert sich selber

Wrightbus definiert sich selber mit der folgenden Aussage: „Wir haben die Mission, die Transport-Industrie aufgrund der Lektionen, die wir aus der Vergangenheit gelernt haben, mit Null-Emissions-Bussen in eine grünere Zukunft zu führen.“

Der Wrightbus „GB Kite Hydroliner FCEV“ für die RVK Köln

Sehen wir uns zum Abschluss noch die Busse des Typs an, den die Regionalverkehr Köln jetzt bestellt hat. Diese Baureihe von Wright heißt GB Kite Hydroliner FCEV. Sie wurde im September 2021 erstmals vorgestellt. Es handelt sich um einen selbsttragenden Bus – ohne Fahrgestell eines anderen Herstellers, und damit gewissermaßen „von der ersten bis zur letzten Schraube“ um einen waschechten Wright. Die Wagen sind etwas kürzer als bei uns üblich (statt der hierzulande gebräuchlichen 12.000 mm nur 10.600 mm) und auch 5 Zentimeter schmaler (2.500 mm statt 2.550 mm). In der Höhe messen sie exakt 3 Meter. Ihre Brennstoffzellen stammen aus dem canadischen Hause Ballard und sind vom Typ „Ballard FCmove“. Sie verleihen dem Wagen eine Reichweite von 1.050 Kilometern. Das schafft der beste Dieselbus nicht.

14.08.2023
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Maurits van den Toorn
Maurits van den Toorn
8 Monate zuvor

Völlig unbekannt auf dem Kontinent ist Wright doch nicht. In den Niederlanden hat Arriva seit 2001 mit mehr als 170 Wright-Busse gefahren (Chassis von VDL, Motor von Cummins, Aufbau von Wright).