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Abschied nach 50 Jahren: Die U-Bahn-Reihe DT1 in Nürnberg

Grosser Andrang bei der Verabschiedung am Bahnhof Scharfreiterring am 14.1.2023 | © VAG – Andreas Neuer

Anfang Januar 2023 sind die letzten beiden U-Bahn-Züge der ersten Nürnberger Baureihe DT1 von der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft aus dem aktiven Dienst in den (Un-)Ruhestand verabschiedet worden. Anders als 62 weitere Züge dieser Generation wird die VAG diese beiden Fahrzeuge weiterhin pflegen und bei Sonderveranstaltungen einsetzen, vermieten, aber auch im Alltag zum Schmieren der Gleise fahren.

Die VAG wollte die „Pegnitzpfeile“, wie sie oft liebevoll genannt worden sind, nach 50 Jahren treuen Dienstes nicht sang- und klanglos aus dem Betrieb nehmen, weshalb die beiden Fahrzeuge am Samstag, 14. Januar 2023 noch einmal als Planzüge im Fahrgastbetrieb unterwegs waren. Während der Fahrten war ihnen Aufmerksamkeit garantiert. Viele fuhren mit, hatten Handy, Fotoapparat oder Kamera gezückt und wer mitfuhr, konnte abgesehen von Erinnerungen, Expertengesprächen lauschen und strahlende Augen sehen. 

DT 1 in der neuesten Lackierung im Einsatz auf der U1 nahe Stadtgrenze Fürth | © Budach


VAG-Vorstand Tim Dahlmann-Resing ließ am U-Bahnhof Scharfreiterring die Geschichte der Nürnberger U-Bahn und insbesondere die der ersten Baureihe Revue passieren. Auch auf die Bedeutung der U-Bahn für Nürnberg verwies er. Mit den neuen Gliederzügen von SIEMENS habe die VAG einen sehr guten Ersatz, so Dahlmann-Resing.

Wir hatten hier zuletzt über die neuen G1, die inzwischen alle ausgeliefert und im Fahrbetrieb sind, berichtet:
https://www.urban-transport-magazine.com/50-jahre-u-bahn-und-eine-neue-strassenbahn-nuernberg/


Rückblick: Ein U-Bahn-Wagen für München und Nürnberg

Am 24. November 1965 ist im Nürnberger Stadtrat nach jahrelanger Diskussion die Entscheidung für eine klassische U-Bahn gefallen, die auf eigener Trasse größtenteils unterirdisch fahren sollte. Im Sommer 1966 beschloss der Stadtrat, sich den Überlegungen der Münchener Verkehrsbetriebe für die U-Bahn-Züge anzuschließen und gemeinsam mit München einheitliche Fahrzeuge zu beschaffen.

Mit der Entscheidung waren die Breite und Länge festgelegt. 2,90 Meter breit und 18 Meter lang sollte der einzelne Doppeltriebwagen sein. Während sich München aufgrund der höheren Prognose der Fahrgastzahlen entschieden hatte, bis zu drei Doppeltriebwagen zu koppeln, beschränkte sich Nürnberg auf zwei, die nicht nur als Kurzzug, sondern auch als sogenannter Langzug (Doppeltraktion) unterwegs sein sollten. Von Beginn an wurden die Bahnsteig- und die Wagenhöhe optimal aufeinander abgestimmt, sodass Menschen im Rollstuhl ohne Hilfe einsteigen konnten.

Die ersten beiden Doppeltriebwagen bekam die VAG am 4. November 1970 vom Hersteller MAN in der Frankenstraße über Eisenbahngleise direkt in den neuen U-Bahn-Betriebshof Langwasser geliefert. In der Folge machten sich das Werkstattpersonal und die ersten Fahrer mit den Zügen vertraut.

Die VAG hat von den Zügen der Baureihe DT1 über die Jahre insgesamt 64 Fahrzeuge bekommen. Die erste Lieferung bestand aus 14 Fahrzeugen, die größtenteils als Kurzzüge fuhren. Diese und 18 weitere Fahrzeuge als zweite Serie verfügten über einen Gleichstromantrieb. Die dritte Serie, die zwischen 1979 und 1984 in Betrieb genommen worden ist, war mit einem deutlich robusteren und effizienteren Drehstromantrieb ausgestattet. Damit schrieb die Nürnberger VAG definitiv Technikgeschichte. Sie war treibende Kraft dieser Innovation, die betrieblich nur Vorteile hatte, weil Strom beim Bremsen in die Stromschiene zurückgespeist werden konnte. Gleich- und Drehstrom angetriebene Züge konnten zusammen gekuppelt werden.

Die Züge der dritten Serie hatten aber noch ein paar Besonderheiten: Die beiden Wagenteile eines Doppeltriebwagens erhielten über der Kurzkupplung Fenster. So konnte die Fahrgäste von einem in den anderen Wagenteil sehen, was sie angenehm fanden. Die Fahrzielanzeigen wurden automatisiert über sogenannte Rollbandanlagen anstelle der Richtungsschilderkästen, die bei jedem Richtungswechsel manuell bestückt werden mussten. Schließlich baute die VAG die automatischen Rollbandanlagen auch in den beiden älteren Fahrzeuge ein.

Die Fahrzeuge der Baureihe DT1 haben sich als überaus robust und langlebig gezeigt. Sie fuhren zwischen 3,5 und 4,5 Millionen Kilometer. Diese Laufleistung ist nur möglich, weil sie vom Team der Werkstätten für Schienenfahrzeuge über fünf Jahrzehnte gehegt und gepflegt worden sind.

G1 Zug von Siemens – Fürth Stadthalle | © Budach

Moderne Gliederzüge ersetzen die DT1-U-Bahnen

Die VAG hat sich bereits ab 2010 mit einer Ersatzstrategie für der alten U-Bahn-Wagen beschäftigt. Es folgte ein langer Planungs- und Beschaffungsprozess, was bei Schienenfahrzeugen normal ist. Ende vergangenen Jahres konnte die VAG schließlich den letzten von 35 neuen Gliederzügen (G1) in den Fahrgastbetrieb nehmen. Bis dahin galt es aber die Züge aus den 1970er Jahren wirtschaftlich und technisch so lange als möglich zu nutzen. Allerdings verzichtete die Werkstatt mit dem absehbaren Einsatz der G1-Züge aus Kostengründen auf nicht zwingend erforderliche Instandsetzungen an den DT1. Möglich war dies nur, weil das Werkstattteam großes Know-how und viel Erfahrung mit den Fahrzeugen und den Komponenten hatte. Züge, die ausgemustert wurden, dienten als Ersatzteillager.

Alle DT1 konnten – bis auf einen Doppeltriebwagen, der durch einen Brand zerstört worden ist – bis zum geplanten Lebensende im Einsatz bleiben. Die Fahrzeuge der ersten Serie wurden ab 2010 fachgerecht recycelt. Mit Ausnahme von zwei Zügen, die als Museumszüge erhalten werden. Einer wurde 1975 gebaut, hatte ursprünglich die Wagennummer 443/444, jetzt 587/588, der andere, Baujahr 1984, ging mit der Wagennummer 523/524 an den Start und hat heute die Nummern 575/576. Sie scheiden nun nach 48 bzw. 40 Jahren aus dem Plandienst aus. Bei den Doppeltriebwagen handelt es sich um einen Gleich- und einen Drehstromzug.

Nachdem auch die Baureihe DT2 schon vor einiger Zeit ausgemustert worden war, hat die Nürnberger U-Bahn jetzt nur noch zwei U-Bahn-Generationen, die DT3/DT3F für den automatisierten Betrieb sowie die neuen G1 in Betrieb.

DT1 auf der U1 als Hochbahn nahe Fürth | © Budach
Schon vorher ausgemustert: Die Reihe DT2 der VAG Nürnberg | © Budach
Die aktuell eingesetzten DT3/DT·F von Siemens fahren auch „gemischt“ im automatischen Betrieb – Wagen 765 mit, Wagen 704 ohne Führerstand | © Budach
23.01.2023