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Berlin: Auf dem Weg zur Elektrobus-Hauptstadt

Berlin verfügt mittlerweile über 137 Elektrobusse, davon sind 17 Gelenk-E-Busse die seit August 2020 auf der E-Metrobuslinie 200 zum Einsatz kommen I © UTM

Anfang dieses Jahres machte in der Presse eine Depesche die Runde: „In Berlin fahren deutschlandweit die meisten Elektrobusse im öffentlichen Nahverkehr“. 

Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) hat sämtliche E-Busflotten deutschlandweit analysiert. Für das Jahr 2020 ging daraus hervor, dass Berlin mit 137 E-Bussen deutlich vor Hamburg (55), Solingen (54) und Köln (45) liegt. Bezogen auf die Länder werden die ersten drei Plätze von Nordrhein-Westfalen mit 177 Exemplaren, Berlin (137) und Baden-Württemberg (76) belegt.

Insgesamt waren im Jahr 2020 rund 680 solcher Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs, darunter 502 Batteriebusse, 81 Oberleitungsbusse und 64 Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb. Bundesweit hat sich der Bestand an Bussen mit alternativen Antrieben somit übrigens im vergangenen Jahr fast verdoppelt.

Der Elektrobusstart in Berlin

Angefangen hat der Einsatz von Elektrobussen in Berlin bereits im Jahr 2015 auf der Linie 204 mit induktiver Primove Ladetechnik (damals Bombardier, heute IPT Group). Die ersten Elektrobusse mit Übernachtladung im Depot kommen in Berlin seit dem Frühjahr 2019 zum Einsatz. 

Die 12 Meter langen Solaris Urbino Electric kommen seit August 2019 auf der neuen Linien 300 zum Einsatz I © UTM

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) planen, ihren gesamten Fuhrpark bis 2030 auf abgasfreie Fahrzeuge mit Elektroantrieb umzustellen. Derzeit läuft eine Ausschreibung für weitere 90 E-Busse. Diese sollen 2022 geliefert werden.

Derzeit besteht die BVG-Flotte aus insgesamt 1.500 Bussen, davon sind über 10% Elektrobusse, 137 in der Zahl – 122 Solaris Urbino electric und 15 Mercedes eCitaro. Dabei handelt es sich um 105 Eindecker vom Typ Solaris Urbino 12 electric, 15 Eindecker vom Typ Mercedes eCitaro und 17 Gelenkbusse vom Typ Solaris Urbino 18 electric.

Mit einer Zuverlässigkeit von mehr als 91 Prozent legten die E-Busse der BVG bis dato über zwei Millionen Kilometer zurück. Um die Elektrifizierung weiter voranzutreiben, bereitet die BVG derzeit eine Ausschreibung über 90 weitere Elektro-Eindecker vor, die im Jahr 2022 geliefert werden sollen. Mehr

Solaris Urbino 12 Electric in der Berliner Friedrichstraße I © UTM

Die E-Busse der BVG verkehren derzeit auf den Linien 142, 155, 194, 200, 250, 259, 294, 300, 347, 359 und N50. Aufgrund der Bauarbeiten an den Gleisen der Straßenbahnlinien 12 und M13 kommen seit Januar vereinzelt die Solaris Gelenk-E-Busse auch im Schienenersatzverkehr zwischen Prenzlauer Allee/ Ostseestraße und Pankow Antonplatz zum Einsatz. Die Nachladung findet an der Ladestation im Betriebshof Indira-Ghandi-Straße statt.

Aufgrund der im Gegensatz zu Dieselbussen geringeren Reichweite kommen die Elektrobusse zunächst auf kürzeren Linien zum Einsatz. Es ist aber davon auszugehen, dass mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie in den nächsten Jahren auch größere Distanzen überwunden werden können.

Mercedes eCitaro am Berliner Ostbahnhof I © UTM

Der E-Metrobus

Seit dem 27. August 2020 wurde das Projekt „E-Metrobus“ gestartet. Dabei wurden in Berlin erstmalig rein elektrisch angetriebenen Gelenkbusse im Fahrgastverkehr in den Fahrgastbetrieb genommen. Insgesamt 17 Fahrzeuge des Typs Solaris Urbino 18 electric haben seitdem schrittweise den Betrieb auf der Linie 200 übernommen. Im Regelbetrieb sind 14 Fahrzeuge erforderlich.

Die beiden Siemens Ladestationen an der Hertzallee I © UTM

Die Solaris Urbino 18 electic sind 18 Meter lang und bieten Platz für 99 Fahrgäste. Erstmals in Berlin werden die neuen Busse innerhalb weniger Minuten per invertiertem Pantograf an den Endhaltestellen geladen, was ihnen während des Betriebes eine unbegrenzte Reichweite ermöglicht. Die Entladetiefe der Traktionsbatterien beträgt zwischen 20 und 30 %. Die dazu benötigten Schnellladesäulen lieferte die Firma Siemens. Je zwei wurden an den Endhaltestellen Michelangelostraße und Hertzallee (am Bahnhof) in Betrieb genommen, eine wurde auf dem Betriebshof in der Indira-Gandhi-Straße installiert.

Bildergalerie (Anklicken zum Öffnen):

Die BVG hat sich für das Projekt „E-MetroBus“ zu einer Forschungskonstellation mit der Technischen Universität Berlin und dem Reiner Lemoine Institut zusammengeschlossen. Die TU Berlin entwickelt im Rahmen des Projekts zum Beispiel ein E-Bus-Leitsystem mit besserer Reichweitenprognose, untersucht die energieeffiziente Nutzung von Heiz- und Klimasystemen und die Umweltbilanz der Busse. Zusätzlich hilft die TU Berlin bei der Entwicklung eines Betriebs- und Störfallkonzeptes. Das Reiner Lemoine Institut forscht in unterschiedlichen Szenarien, wie eine lokale, netzdienliche Versorgung der Ladestationen an den Haltestellen und im Depot umgesetzt werden kann. Außerdem hat es eine App entwickelt, mit der Fahrgäste den CO2-Abdruck ihrer Fahrt berechnen können und weitere Informationen zum Thema E-Busse und nachhaltige Mobilität finden. Den Link gibt es hier:e-metrobus.berlin

Auf der Linie 200 kommen 14 Solaris Urbino 18 electric Elektrobusse zum Einsatz I © UTM

Das Investitionsvolumen beläuft sich insgesamt auf rund 16,7 Millionen Euro. Davon übernimmt die BVG jene Kosten, die für vergleichbare Dieselbusse angefallen wären. Im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität wird das E-MetroBus-Projekt mit insgesamt 4,3 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Die restlichen Mehrkosten übernimmt das Land Berlin.

Von den Fahrgästen und Fahrern gibt es bislang ausschließlich positive Rückmeldungen.

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Flotte und Betriebsstrategie

Derzeit sind 72 Solaris 12 Meter Elektrobusse im Einsatz. Die Busse werden zwei Mal pro 24 Stunden im Depot in der Indira-Ghandi-Straße in Nord-Osten der Stadt nachgeladen – nachts und mittags.

Für die Nachladung und das Lademanagement arbeitet die BVG mit namhaften Herstellern zusammen.

Mit der Lieferung des Depot- und Lademanagement-Systems wurde die Firma PSI Transcom GmbH, die das System PSIebus liefert. PSIebus ist in der Lage, die Fahrzeuge disponieren, überwachen und steuern. Das Depot- und Lademanagement-System PSIebus koordiniert, disponiert die Fahrzeuge zunächst im Betriebshof Indira-Gandhi-Straße und stellt sicher, dass alle Busse zum Beginn ihrer Fahrt zuverlässig einsatzbereit sind. Alle Betriebshofprozesse von der Fahrzeugortung, über die Abstellung, die Versorgung und Werkstatt, die Fahreranmeldung sowie Fahrzeugzuteilung werden dabei in einem digitalen System abgebildet.

Die Elektrobusse haben sich auch im Wintereinsatz bewährt I © UTM

Die Disposition der Fahrzeuge erfolgt innerhalb weniger Sekunden und basiert auf der PSI-eigenen Optimierungssoftware Qualicision, die in Echtzeit anhand der betrieblichen Randbedingungen die bestmögliche Lösung ermittelt. Für ein optimales Ergebnis werden neben den Fahrzeug- und Streckeneigenschaften auch zeitlich relevante Größen wie tagesaktuelle Wetterdaten berücksichtigt. Das System bezieht auch Faktoren wie die verbleibende Reichweite, den Ladezustand und die benötigte Ladezeit in die Ladeplanung ein.

Das integrierte PSI-Lastmanagement kontrolliert den gesamten Energiebedarf des Betriebshofes und überwacht und steuert die einzelnen Ladegeräte. Dabei werden teure Spitzenlasten vermieden und Vorgaben des Netzbetreibers berücksichtigt. Das neue System ermöglicht der BVG die optimale Nutzung ihrer Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur und sorgt für eine bestmögliche Fahrzeugverfügbarkeit.

Zwei Mal elektrischer ÖPNV: Solaris Elektrobus und Bombardier Straßenbahn I © UTM

Bereits sieben Wochen nach Projektstart konnte das in PSIebus integrierte Lademanagement-System PSIsmartcharging erfolgreich in Betrieb genommen werden.

Das System integriert, überwacht und steuert die Ladeinfrastruktur und koordiniert die Ladevorgänge. Somit setzt es die betrieblichen Anforderungen aus dem Busbereich in eine ganzheitliche Ladestrategie um und übernimmt darüber hinaus die Steuerung und Überwachung der Vorkonditionierung der Busse. Die Kommunikation mit dem in PSIebus integrierten Depotmanagement-System erfolgt über die von der PSI entwickelte VDV-Schnittstelle 463.

Ladesäule im Betriebshof Indira-Ghandi-Straße I © BVG / Kevin Doan

Zunächst wurden die Ladesäulen des Herstellers Ekoenergetyka angebunden. Für deren technische Integration nutzt PSIsmartcharging den OCPP-Standard. In vorgegebenen Testszenarien der BVG wurde die Funktionalität vorgestellt und nachgewiesen. Im weiteren Projektverlauf wird die gesamte Ladeinfrastruktur des Betriebshofes der Hersteller Ekoenergetyka und XCharge phasenweise in das System integriert und zentral gesteuert.

Die Ladesäulen

Ekoenergetyka-Polska lieferte insgesamt 130 Ladestationen zu je 150 kW nach Berlin. Die in Zielona Góra, Polen, ansässige Firma hat bereits in der Vergangenheit Ladesäulen u.a. nach Hamburg und München geliefert.

Ladegeräte sind mit einer Flüssigkristallanzeige, einem CCS-Anschluss und einem RFID-Näherungsleser ausgestattet. Um maximale Sicherheit für Fahrer und Servicepersonal beim Anschluss der Stromversorgung an die Busse zu gewährleisten, sind die Ladestationen über eine Gehäusekonstruktion mit Schwenkarm zur Zuführung des CCS-Kabels ausgestattet. Dadurch wird die Möglichkeit einer Kollision mit herannahenden Bussen ausgeschlossen. Außerdem wird durch diese Lösung der Verschleiß der CCS-Komponenten im Betrieb minimiert. Darüber hinaus ist die gesamte Infrastruktur mit einem Diagnosesystem ausgestattet sein.

Ladestation im Betriebshof Indira-Ghandi-Straße I © BVG / Peer Schminken

E-Bus Überwachung über eine Cloud

Die Überwachung der E-Busse erfolgt mit einer Cloud-basierten Telematik Lösung von ViriCiti. Dies bedeutet, dass die BVG Echtzeitparameter wie den Standort der Busse, SoC, Zwischenfälle und mehr einsehen kann. Darüber hinaus hat die BVG Zugriff auf historische Daten, mit denen sie E-Bus-Parameter im Millisekundenbereich verfolgen und analysieren kann.

ViriCiti integriert seit 2016 BVG-Busse. Der Verkehrsbetreiber ist einer der ersten deutschen Betreiber, der sich für einen datengetriebenen Ansatz für die Elektromobilität entschieden hat.

E-Bus im Einsatz auf der Linie 265 I © UTM

Aufgrund einer guten Zusammenarbeit mit Solaris kamen die von BVG bestellten Solaris-E-Busse mit vorinstallierter ViriCiti-Hardware an. Darüber hinaus bietet ViriCiti für diese Busse Einblick in eine Reihe von 15 Schlüsselparametern des Minimaldatensets, die speziell für die BVG hinzugefügt wurden.

Stand der Dinge bzgl. der Bus Elektrifizierung in Spandau

Im Jahr 2019 wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, in der am Beispiel des Busnetzes in Berlin-Spandau gezeigt wurde, dass die Implementierung von Hybrid-Oberleitungsbussen/BOBs grundsätzlich technisch machbar ist. Der Einsatz der Streckenlader-Technologie könnte laut der Studie insbesondere für die Elektrifizierung von Doppel-Gelenkbussen interessant sein. Wir berichteten hier:

Auf Basis eines Planungsauftrags der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) schafft die BVG derzeit die ersten, notwendigen Rahmenbedingungen (z.B. ein Betriebskonzept) für die Initiierung der Vorplanung. Das Projekt befindet sich also noch in einer frühen Phase. Das finalisierte Konzept wird anschließend mit dem Aufgabenträger, dem Land Berlin, vertreten durch SenUVK, abgestimmt werden.

eCitaro und Bombardier Tram in Pankow, Vinetastraße I © UTM
02.05.2021
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[…] und die Städte machen ja erste vernünftige Schritte. So war ich überrascht, daß Berlin sich zum Elektrobus-Mekka herauspoliert. Und mit gehtohne.de habe ich einen spannenden Blog entdeckt, der sich mit der […]

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[…] Spandau recommended the substitution of diesel buses by trolleybuses. Nowadays Berlin has the biggest battery bus fleet in Germany. It seems like at least in Germany, a “free” market provides a very […]