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Erst grün dann weiss: Wird der Wasserstoff doch noch sinnvoll?

Nicht ganz rund lief der Start der iLint Brennstoffzellenzüge im Taunusnetz um Frankfurt/ Main Ende 2022 - mittlerweile ist aber ein Großteil der Züge im Einsatz, hier auf der RB12 nach Königstein I © UTM

Wie die französische Vereinigung der Nutzer des öffentlichen Verkehrs FNAUT bereits Ende 2022, unter anderem aufgrund von Daten der Technischen Universität Dresden und des Öko-Instituts festgestellt hat, macht die Nutzung des sogenannten grünen Wasserstoffs weder wirtschaftlich noch ökologisch Sinn. Sie schreibt, dass es daher in einer Zeit, in der überall Energieeinsparungen angestrebt werden, paradox und für den Steuerzahler teuer wäre, Wasserstoff in Sektoren zu verwenden, die direkt elektrifiziert werden können. Die hohen Betriebskosten von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen seien grösstenteils auf die Energiekosten zurückzuführen. Sie weist darauf hin, dass bei Bussen mit Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis lediglich 26 % der ursprünglichen elektrischen Energie für die Bewegung des Fahrzeugs umgesetzt werden, während Trolleybusse 74 % und Batteriebusse 67 % erreichen.

LNVG in Zukunft mit Batterien

Nach der ursprünglichen Euphorie für die Verwendung von Wasserstoff im ÖPNV setzt sich diese Erkenntnis auch bei Aufabenträgern und Betreibern durch. So setzte die niedersächsische LNVG zunächst zwei Prototypen und seit 2022 als weltweit erster Betreiber 14 Wasserstoffzüge zwischen Bremerhaven, Cuxhaven und Buxtehude ein. Die Alltagserfahrungen mit den Wasserstoffzügen seien „unterm Strich sehr positiv“ gewesen. Im Vergleich zum Diesel freuten sich Fahrgäste, Anwohner und Lokführer über einen sanfteren und leiseren Betrieb. Die Züge haben eine Reichweite von über 1000 Kilometern die einen ganzen Tag lang kein Nachtanken benötigen. Dennoch hat sich die LNVG entschieden, einen Teil ihres Netzes, nämlich die Strecke Oldenburg – Osnabrück zu elektrifizieren und im übrigen batteriebetriebene Züge einzusetzen, damit bis 2037 sämtliche bisherigen Diesel-Züge ersetzt werden können. Die Markterkundung habe dennoch gezeigt, dass bei den anderen noch nicht elektrifizierten Netzen in Niedersachsen Batterie die günstigere Alternative zum Diesel ist. Ausnahme sei nur die Strecke Oldenburg – Osnabrück, die sinnvollerweise komplett mit Oberleitungen versehen werden sollte. Den Ausschlag für den Akku habe der Umstand, dass gegeben, dass auf Teilstrecken oder in Bahnhöfen bereits Oberleitungen vorhanden sind, an denen die Züge aufgeladen werden können. Zudem lassen sich vorhandene Oberleitungsanlagen leicht verlängern und sogenannte Ladeinseln können errichtet werden. Damit werden die Akkus leicht, indem sie im Lauf des Tages immer wieder nachgeladen werden können.

Niedersachsen war Vorreiter für Brennstoffzellenzüge – nach dem Einsatz der beiden iLint Prototypen hat Alstom insgesamt 14 Serien iLint an die evb für den Einsatz auf der RB33 zwischen Buxtehude, Bremervörde, Bremerhaven und Cuxhaven – möglicherweise werden es die einzigen Brennstoffzellenzüge in Niedersachsen bleiben I © Alstom

Kein Wasserstoff in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg ist zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Das Land hat für 16 nicht-elektrifizierte Streckenabschnitte die beste Alternative zum Dieselantrieb untersucht. Dabei flossen auch volkswirtschaftliche und ergänzende strategische Aspekte, wie beispielsweise der Lückenschluss zwischen bestehenden Strecken mit Oberleitung, die mögliche Funktion im Güterverkehr sowie die Eignung für umgeleitete Züge, aber auch der Aufwand für die zu errichtende Wasserstoff-Tankstellen-Infrastruktur ein. In keiner der untersuchten Strecken erwies sich der Wasserstoffantrieb als vorteilhaft. Meist war die günstigste die Kombination von Akkus mit Oberleitungen. So lasse sich bereits feststellen, dass Wasserstoff-Hybrid-Züge in naher Zukunft aufgrund diverser betrieblicher und wirtschaftlicher Gründe nicht weiter in Betracht gezogen wird.

Baden-Württemberg setzt auf Batterietriebzüge – die Mireo Plus B Batteriezüge gehen am 8. April 2024 im Ortenau S-Bahnnetz in Betrieb (hier ein Zug im Prüf- und Testzentrum Wildenrath) I © Siemens Mobility

Kehrtwende im österreichischen Zillertal

So zeichnet es sich auch ab, dass die österreichische Zillertalbahn, die von Jenbach an der Bahnlinie München – Innsbruck nach Mayrhofen abzweigt, entgegen einem früher getroffenen Systementscheid für Wasserstoff nun doch mit Akkuzügen und teilweiser Oberleitung modernisiert werden soll. Wie das Tiroler Tagblatt meldet, hat eine vorläufige Untersuchung der Technischen Universität Wien den hybrid über teilweise Oberleitung und Akku mit Strom versorgten Zug als vorteilhafteste Lösung ermittelt. Damit kann auf voluminöse Wasserstofftanks und Brennstoffzellen, die den Fahrgastraum einschränken, verzichtet werden. Man hatte zunächst gedacht, dass am Endpunkt der Linie in Mayrhofen ein Wasserstoff-Elektrolyse-Werk errichtet werden sollte, das mit jeweils billigem Nachtstrom aus den umliegenden Wasserkraftwerken betrieben werden sollte, und den Wasserstoff ohne lange Transportwege direkt in die Fahrzeuge betankt hätte.

So scheint nun doch die niedrige energetische Effizienz dieser Lösung zur Empfehlung für Batteriezüge geführt zu haben. Denn die Ladung der Akkus wird ebenfalls vor allem billig nachts erfolgen und braucht dank ihrer geringeren Energieverluste viel weniger Strom. Die Nachladung im Betrieb erlaubt es, nur ein Minimum an schweren Akkus für jeweils kurze Teilstreckenfahrten mitzuführen. Der Kostenvorteil gegenüber dem Wasserstoffantrieb könnte über 30 Jahre gerechnet wie bei einer reinen Lösung mit Fahrdraht zwischen 83 und 180 Millionen Euro liegen.

Technische Zeichnung eines Halbzuges für die Zillertalbahn – man beachte die Wasserstofftanks im Fahrgastraum bzw. Maschinenraum I © Stadler

Der Markt

Wie die Railway Gazette International in ihrer Ausgabe vom März 2024 schreibt, ist in vielen europäischen und asiatischen Ländern das Schienennetz weitgehend elektrifiziert, und praktisch der gesamte Nahverkehr ist elektrisch. In Deutschland zum Beispiel sind 60 % der Strecken elektrisch, aber die restlichen Strecken befördern nur 10 % des Verkehrsaufkommens, in der Schweiz ist das gesamte Netz elektrisch. Natürlich ist die Elektrifizierung die erste und energieeffizienteste Wahl. Mit der Verpflichtung durch COP 27, den Anteil der Schiene zu erhöhen, ist zu erwarten, dass mehr Strecken elektrifiziert werden – und genau dies tut ja die LNVG – während der nicht-elektrische Verkehr relativ zurückgeht. Für kurze Strecken mit häufigen Aufladestationen oder Oberleitungen auf kritischen Streckenabschnitten, z. B. bei grossen Steigungen, würden Batterien ausreichen. Für einige wenige längere Strecken könnte die Wahl trotz des etwa dreifach höheren Preises des grünen Wasserstoffs gegenüber Diesel auf Brennstoffzellen fallen.

Dass die Nachladung eines BEMU mittels Stromschiene und kleinem Container-Unterwerk auch einfach sein kann, zeigten jüngst RPS (Rail Power Systems) und Alstom an einer Anlage in Annaberg/ Buchholz im Erzgebirge I © Alstom

Kommt das goldene Zeitalter des weissen Wasserstoffs?

Ist damit das Ende der Wasserstoff-Brennstoffzellen eingeläutet? Vielleicht, oder vielleicht doch auch nicht. Denn seit einigen Jahren zeichnet sich eine bisher unerforschte natürlich Quelle, der sogenannte goldene oder weisse Wasserstoff ab. Obwohl dieser erstmals 1987 zufällig in Mali entdeckt wurde, geriet er ein Vierteljahrhundert lang in Vergessenheit. Erst 2012 begann die Quelle durch ein thermisches Kraftwerk, Strom zu produzieren. In den letzten Jahren begannen Wissenschaftler auf der ganzen Welt zu forschen und stellten fest, dass es wahrscheinlich genug weissen Wasserstoff für Hunderte von Jahren gibt. Es ist davon auszugehen, dass weisser Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen wird und sehr schnell in grossem Massstab verfügbar sein könnte. In dieser Form ist er eine Energiequelle und kein blosser Träger, und die Wissenschaftler gehen davon aus, dass er nach seiner Gewinnung sogar durch natürliche Prozesse wieder aufgefüllt werden kann. Derzeit gibt es weder klar definierte Abbaumethoden und Zeitpläne noch gesicherte Kostenschätzungen für den vielversprechenden weissen Wasserstoff, aber da dessen Gewinnung weder Elektrolyse noch Raffinerien benötigt, sind eher niedrige Kosten zu erwarten.

Weitere Hintergrundinformationen zum Thema Wasserstoff im Schienenverkehr finden sich hier:

13.03.2024
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Reese O. Lamb
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