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MaaS: Chance oder Risiko für die Verkehrswende?

Schwerpunktthema: Digitalisierung & IT

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sind in einer Ihnen unbekannten Stadt unterwegs und müssen schnellstmöglich von A nach B reisen, und sie haben nicht viel Bargeld dabei. Die Suche nach dem schnellsten und günstigsten Verkehrsmittel ist schwierig – nicht alle Verbindungen werden im Internet angezeigt, und Sie kennen auch nicht deren Kosten. Wie eine Entscheidung treffen ohne ein teures Taxi oder Uber zu bestellen?

Pionier der MaaS Welt: die Whim App von MaaS Global in Helsinki ging im Jahr 2016 an den Start I © whim

MaaS (Mobility as a Service) zielt darauf ab, dass oben beschriebene Dilemma von Reisenden zu lösen. MaaS soll die Integration von und der Zugang zu verschiedenen Mobilitätsdienstleistungen wie ÖPNV, Carsharing, Ridesharing, Taxi, etc. in einem einzigen, digitalen Mobilitätsangebot sicherstellen. Durch die Kombination von traditionellen Verkehrsträgern wie Tram, Bus und U-Bahn, neuen Mobilitätslösungen und der Digitalisierung der Mobilität sowie der Schaffung neuer Dienste auf der Grundlage intelligenter Daten- und IT-Lösungen soll die Benutzung des verkehrsträgerübergreifenden Verkehrs in Zukunft einfacher, schneller, effizienter und umweltfreundlicher werden. MaaS kann den Umstieg vom Individualverkehr auf vernetzte Mobilitätslösungen und -dienste ermöglichen. In Zukunft soll es eine Kombination von Verkehrsdienstleistern, die öffentlicher und privater Natur sein können, geben. Die Reise wird über ein Gateway geplant, gebucht und verwaltet. Fahrgäste, oder „User“, können den gesamten Reiseverlauf über eine Abrechnung bezahlen. Dies kann auch eine monatliche Gebühr für eine begrenzte Entfernung beinhalten. Ziel von MaaS ist es, Reisenden und Pendlern verbesserte Mobilitätslösungen anzubieten, die auf ihren tatsächlichen Mobilitätsbedürfnisse abdeckt.

MaaS soll die Integration von und der Zugang zu verschiedenen Mobilitätsdienstleistungen wie ÖPNV, Carsharing, Ridesharing, Taxi, etc. in einem einzigen, digitalen Mobilitätsangebot sicherstellen I © Hacon

Wann ist MaaS entstanden?

Mobility as a Service wurde erstmals auf dem ITS-Kongress (Intelligent Transport Systems) in Bordeaux im Jahr 2015 erwähnt. Die MaaS Alliance, ein Zusammenschluss von ÖPNV-Betreibern, der Finanzbranche und der Automobilbranche, wurde kurz darauf gegründet und erste Anwendungen von MaaS finden weltweit Anwendung. Mitglieder sind zum Beispiel ÖPNV-Betreiber wie Transdev, DeLijn aus Belgien, der Japanische Bahnbetreiber JR East, die Schienenfahrzeughersteller Alstom und Hitachi, aber auch MaaS Anbieter wie Moia. Die MaaS Alliance hat sich auf die Fahnen geschrieben, Normen, Richtlinien und Best Practice für MaaS zu propagieren.

Die BVG Berlin hat im Jahr 2019 die sogenannte Jelbi App als MaaS mit entsprechenden multimodalen Stationen gestartet I © UTM

Wie funktioniert MaaS?

Die Planung einer Reise beginnt in vielen Fällen mit einem Routenplaner oder einer Fahrplanauskunft. Ein Routenplaner zeigt bei MaaS an, dass der Benutzer mit einer Zug / Bus-Kombination von einem Ziel zum anderen gelangen kann. Der Benutzer kann dann seine bevorzugte Reise basierend auf Kosten, Zeit und anderen Kriterien auswählen. Zu diesem Zeitpunkt würden alle erforderlichen Buchungen (z. B. ein Taxi rufen, einen Sitzplatz in einem Fernverkehrszug reservieren) auf Knopfdruck ausgeführt. Ein Idealszenario wäre somit, dass dieselbe MaaS Endbenutzer-App in verschiedenen Städten funktioniert, ohne dass der Benutzer sich mit einer neuen App vertraut machen oder sich bei neuen Diensten anmelden muss. Für die Entwicklung der App Funktion und der dazugehörigen Benutzeroberflächen und Schnittstellen ist in den vergangenen Jahren eine Industrie entstanden.

MaaS ist in der Lage, als Web- oder Handy-App die zeiteffizientesten Verkehrsverbindungen anzubieten I © Hacon

Warum brauchen wir Maas?

Die Landschaft der urbanen Mobilität verändert sich rasant und den Bürgern auf der ganzen Welt werden neue Mobilitätslösungen angeboten. In vielen Großstädten werden E-Scooter, Bike- und Car- Sharing Angebot aufgebaut und ihre Präsenz nimmt rapide zu. Ist dies Teil der Mobilitätsrevolution? Ist dies nur ein Trend, der von den Medien und großen Kapitalinvestitionen hochgespielt wird? Welche Rolle wird der bestehende öffentliche Verkehr spielen? Wie sollen Reisende mit einem solch großen Blumenstrauß an Angeboten umgehen?

Tram, Auto oder doch lieber das Fahrrad? MaaS Apps können bei der intermodalen Verkehrsauswahl ein Navigator sein I © UTM

Hier kommt das MaaS-Konzept ins Spiel: MaaS bietet den Nutzern die beste Mobilitätslösung in Bezug auf Zeit, Kosten, Komfort und andere Aspekte.

MaaS hat zudem das Potenzial, ein sehr großes Publikum anzusprechen, von jungen Menschen bis zu Personen mit eingeschränkter Mobilität, internationalen Geschäftsreisenden, Familien oder älteren Menschen. Für den öffentlichen Verkehrssektor ist MaaS eine Chance, da neue Kunden gewonnen werden und neue Dienstleistungen entwickelt werden können. Bei richtiger Anwendung kann Mobility-as-a-Service außerdem dazu führen, die Mobilität nachhaltiger zu machen, was zu einem Rückgang des Autobesitzes und weniger Staus führen würde. Kritiker sehen durch die Vielzahl an Lösungen ein Risiko für die aktuelle ÖPNV-Landschaft, da „kostengünstige“ Shuttles oder Car-Sharing Angebot den öffentlichen Nahverkehrs kannibalisieren könnten und zudem die Nutzung von Autos erhöhen und wiederrum zu einem höheren CO2-Ausstoß führen würden.

Wo wird MaaS bereits verwendet?

Derzeit werden MaaS-Initiativen auf lokaler oder regionaler Ebene weltweit umgesetzt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es in Zukunft sowohl nationale als auch globale MaaS-Plattformen geben wird. Städte, die mit der Implementierung von MaaS begonnen haben, sind beispielsweise Helsinki, London, Singapur und Berlin. Es hat sich bereits eine Industrie gebildet, die MaaS Applikationen entwickeln und vermarkten. Dazu gehören neben Betreibern vor allem Start-ups und IT-Unternehmen.

Zu viel Stau? Mittels Live-Daten wissen die meisten MaaS Applikationen, welche Route die schnellste bzw. günstigste ist I © UTM

Eine der ersten MaaS Apps war Whim in Helsinki, welches im Jahr 2016 an den Start ging und von MaaS Global entwickelt wurde. Whim vereint alle Verkehrsträger, von öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zu Bikesharing und Taxis, und Benutzer zahlen nur einen Preis. Whim bietet drei Arten von Preisen an: eine einmalige Bezahloption; ein 49 € monatliches „Whim Urban“ -Abonnement für unbegrenzte Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und reduzierte Taxipreise (10 €) und Carshare (49 €); sowie ein 499 € „Whim Unlimited“ -Paket, welches eine unbegrenzte Nutzung von Taxis und Carshares beinhaltet. Die meisten der 7.000 Helsinki-Abonnenten von Whim nutzen Whim Urban. Die Gesamtzahl der Whim-Nutzer liegt bei 60.000, was einem Anteil von 0,5 Prozent am Transportmix von Helsinki entspricht. Whim befindet sich auch schon andernorts in der Umsetzung. Dazu gehören Birmingham, Antwerpen und Singapur.

Zukunft autonome Shuttle? Daimler Studie für einen fahrerlosen Shuttle I © Daimler

Welche Rolle spielen autonome Fahrzeuge?

Die Entwicklung autonomer und elektrischer Fahrzeuge, ob Shuttles, Busse oder Autos, kann in Zukunft als weiterer Beschleuniger für MaaS gesehen werden. Die künftige Existenz autonomer Shuttles und Busse, sofern die sicherheitstechnischen und regulatorischen Herausforderungen gelöst sind, wird bedarfsgerechte ÖPNV oder „privaten Nahverkehr“ ermöglichen. Zukünftig könnten autonome Shuttles das private Auto vollständig ersetzen und somit den Bürgern mehr öffentlichen Raum geben, was sich natürlich positiv auf die Lebensqualität in den Städten auswirken würde.

Zusammenfassung

Sowohl die digitale Mobilitäts-Apps als auch neue Mobilitätsdienste erobern zweifellos schrittweise den ÖPNV- und Verkehrsmarkt. Dabei werden verschiedene Ansätze getestet. MaaS hat das Potenzial, den Transportmix in Städten und Regionen auf der ganzen Welt zu verbessern und das Reisen mit dem ÖPNV zu verbessern und somit dem Umstieg vom Auto zu vereinfachen. Es ist auch klar, dass längst nicht alle Pendler eine solche App benötigen, insbesondere wenn gewisse „Standardrouten“ vorhanden sind. Sofern MaaS im richtigen Rahmen in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln eingesetzt wird, kann es ein hervorragendes Instrument sein, die Mobilität nachhaltiger zu gestalten und die Verkehrsträger besser aufeinander abzustimmen. Aus diesem Grund wird es wichtig sein, dass die öffentliche Hand, Aufgabenträger und nicht zuletzt Betreiber jetzt Maßnahmen ergreifen, damit der ÖPNV nicht ins Hintertreffen gelangt. Globale Plattformen entwickeln bereits Lösungen, die nicht unbedingt einen nichtdiskriminierenden Ansatz verfolgen oder ein nachhaltigeres Reiseverhalten fördern.

MaaS Apps nutzen in den meisten Fällen Smartphone Technologie, um den Nutzern die entsprechenden Verkehrsmöglichkeiten anzubieten bzw. anzuzeigen I © Fluidtime

Hersteller

Die Mobility-as-a-Service Branche befindet sich zweifelsohne im Wachstum. In kurzen Abständen sprießen neue Technologie-Start-ups und Mobilitätsdienstleister aus dem Boden, die am Markt mitspielen wollen. Einige MaaS-Anbieter konzentrieren sich auf einen bestimmten Bereich von Mobility-as-a-Service, während andere Komplettlösungen für Verbraucher und Verkehrsbetrieber anbieten.

Ein Überblick (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Beeline, Singapore (LTA) ist eine – Cloud-basierte Mobilitätsplattform, die datengesteuerte Shuttlebus- und ÖPNV-Verbindungen für Pendler bietet. Sie Ermöglicht die Aktivierung direkterer Buslinien, um die Bedürfnisse der Fahrgäste zu erfüllen.
  • BMW-Daimler/ REACH NOW ist ein Joint Venture, welches als Start-Up operiert und über 1 Mrd. Euro in eine multimodale Mobilitätsapp investiert hat, die von Car Sharing über, Taxi Ride Hailing bis hin zur Elektroautoladung und Parkplatz-Management reicht.
  • Citymapper: Die Mobilitäts-App ist auf die täglichen Bedürfnisse von Pendlern zugeschnitten und bietet für 73 Städte weltweit als kostenlose Smartphone-App für die Reiseplanung, unter Verwendung verfügbarer Methoden des städtischen Verkehrs. Dabei werden auch Live-Daten genutzt, um das zeit-effizienteste Verkehrsmittel anzubieten.
  • Hacon (eine Siemens Tochter) arbeitet gemeinsam mit den Partnern Siemens Mobility sowie den Ticketingspezialisten eos.uptrade und Bytemark. Mit einer flexiblen und sicheren MaaS-Plattform können unterschiedlichste Datenbestände und Schnittstellen in einer Reiseauskunft vereint werden. Ob als native App oder WebApp – viele der Anwendungen beinhalten sehr viel mehr als nur die Bus- oder Bahnverbindungen eines einzelnen Anbieters oder Verkehrsverbundes.
  • HERE Mobility bietet digitale Mobilitätslösungen für Unternehmen, Betreiber und Nutzer weltweit aus Basis von maßgeschneiderten Lösungen.
  • Lyft ist der zweitgrößte Mobilitätsdienstleister in den USA und entwickelt, vermarktet und vertreibt über eine Handy-App Ride Hailing, E-Scooter und Bike Sharing Angebote.
  • Masabi ist eine Technologiefirma für ÖPNV Betreiber und bietet Handy-Apps, die auch für E-Ticketing und Fahrgeldmanagement. Masabi arbeitet bereits mit Uber um App-basierte ÖPNV-Tickets zu vermarkten.
  • Mobilleo (Yorkshire, Großbritannien) ist eine MaaS Technologiefirme und bietet Plattform- und App-Lösungen um Reiseauskunft für Züge, ÖPNV, Hotels, Taxi, Flüge, Mietwagen und Flughafendienste an.
  • MOIA (Berlin) ist das jüngste Unternehmen von Volkswagen welches sich auf die Entwicklung von IT-basierten On-Demand-Angeboten wie Ride Hailung und Pooling-Diensten. Dafür investiert MOIA auch gezielt in digitale Startups und arbeitet mit Städten und etablierten Transportanbietern zusammen. MOIA Bietet Ride Sharing Angebote in Hamburg und Hannover an, die aber aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend eingestellt wurde.
  • Open Transport ist eine offene API (Application Programming Interface), mit der sich MaaS-Entwickler, Flottendienstleister und Verkehrsunternehmen einfach und schnell verbinden können. Open Transport API ist einfach und benutzerfreundlich und gibt Zugriff auf Daten der entsprechenden Verkehrsträger.
  • Moovit bietet einen Echtzeit-Reiseplaner für Mobilgeräte und eine Web-App mit GPS zur Navigation in öffentlichen Verkehrsnetzen über Verkehrsmittel wie Busse, Fähren, Schienenschnellverkehr (U-Bahn / U-Bahn / U-Bahn usw.), Züge, Straßenbahnen, Obusse und Ride Hailing, Bike Sharing, Carsharing und Motorroller.
  • Sked Go/Trip Go: ist eine kostenlose All-in-One-App, die Fahrgästen Verkehrsinformationen wie Auto-, Motorrad-, Fahrrad- und Fahrrad-Sharing, Taxi, Shuttleservice, Carsharing und öffentliche Verkehrsmittel – einschließlich Kombinationen davon – bietet.
  • TravelSpirit ist eine gemeinnützige Organisation, die sich zu einem globalen Gemeinwesen für Infrastruktur, Netzwerke und Code des Internet der Mobilität entwickeln soll. Eine zugängliche Ressource für Mobilitätsbetreiber und Verkehrsbehörden mit neuen Open-Source-Softwarekomponenten, die unter MPLV2 lizenziert sind.
  • Uber ist das führende multinationale Transportnetzwerkunternehmen (TNC) und bietet über seine Plattformen Mitfahrgelegenheiten, Ride Hailing, Bike Sharing, E-Scooter-Sharing und Mobilitätsdienste an (auf die Kunden über eine Website und mobile Apps zugreifen können).
  • Ubigo ist ein vollständig integrierter Mobilitätsdienst für das tägliche Reisen (oder Mobility as a Service, MaaS). Ziel ist es, den städtischen Haushalten den Alltag zu erleichtern und nachhaltige Städte zu fördern, indem ein einfacher, flexibler, zuverlässiger und erschwinglicher Service als Alternative zum Autobesitz angeboten wird. Der UbiGo-Dienst wurde in einem kommerziellen Pilotprojekt Göteborg 2013-2014 zusammen mit Partnern wie Volvo, der Stadt Göteborg, der Region PTA, dem Viktoria-Institut und dem Lindholmen Science Park entwickelt und erfolgreich getestet. Es wurde 2019 in Stockholm ins Leben gerufen.
  • Whim App, Helsinki, Finland: Whim ist einer der Pioniere der Mobility-as-a-Service-Technologie. Durch die Kombination von mehr als 2.500 Taxis, Autovermietungen und öffentlichen Verkehrsmitteln hilft Whim den ÖPNV Pendlern in Helsinki, ihre Fahrten mit Hilfe von Smartphone-Technologie besser zu planen und zu buchen. Whim wurde bereits für mehr als 16 Millionen Reisen verwendet.
26.02.2021
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Oliver
Oliver
3 Jahre zuvor

Ohne Zweifel ist MaaS notwendig, um Zugangsbarrieren zum öffentlichen Verkehr zu reduzieren und um den Wildwuchs an Apps zu stoppen. Wenn es wirklich gelingt, alle Verkehrsmittel, alle Fahrplandaten, alle Tarifdaten und alle Reservierungsmöglichkeiten zusammenzufassen, und dann auch noch den Ticketkauf einfach abwickeln kann, das wäre hervorragend.
Für eine Verkehrswende ist MaaS eine notwendige Voraussetzung, reicht aber keinesfalls aus. Der öffentliche Verkehr muss viel besser werden (zuverlässiger, pünktlicher, bequemer, sauberer, höhere Kapazitäten) und der öffentliche Verkehr muss viel schneller werden (Busspuren, Ampelvorrangschaltungen, bessere Gestaltung von Umsteigepunkten), wenn es gelingen soll, eine größere Anzahl von Menschen zum Umstieg vom privaten Pkw zu bewegen.