Vor 23 Jahren beschafften die Verkehrsbetriebe MPK Poznań die ersten gebrauchten Düwag Gelenktriebwagen der Rheinbahn Düsseldorf. Der bestehende Wagenpark, insbesondere die Konstal Gelenkwagen der Type 102N, befanden sich in einem stark verschlissenen Zustand und mussten ersetzt werden.
Die ersten Düsseldorfer Fahrzeuge trafen Ende 1996 in Poznań ein. Es handelte sich um fünf achtachsige GT8 und einen Sechsachser (GT6). Trotz ihres Alters von damals schon über 37 Jahren (Baujahre 1957 – 1959) befanden sich die Fahrzeuge in einem vergleichsweise guten Zustand. Zwischen 1996 und 2011 wurden insgesamt 89 Fahrzeuge aus Düsseldorf beschafft, die dort aufgrund des Ersatzes durch neue Niederflurbahnen entbehrlich wurden. Später beschafften die MPK auch Ein- (Typen M und N) und Zweirichtungsfahrzeuge (Type O) aus Frankfurt/ Main. Nicht nur in Poznań, sondern auch in anderen polnischen Straßenbahnstädten erhielten die aus Deutschland importierten Fahrzeuge den Spitznamen „Helmuts“ – der Namensgeber Helmut Kohl prägte die deutsch-polnische Politik schließlich bis 1998…
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Neben den Düsseldorfer und Frankfurter Fahrzeugen beschafften die MPK in den 1990er Jahren auch eine Reihe achtachsiger 1,G, 2G und 3G Gelenktriebwagen aus Amsterdam, die 1959 – 1961 von Bejnes gebaut wurden. Von ihnen ist ein Triebwagen museal erhalten geblieben.
Abschied und museale Erhaltung
Vor einem Jahr, am 10. November 2019, endete der Einsatz der klassichen Düwag Triebwagen in Poznań und wurde mit einer großen Parade unter der Teilnahme vieler Straßenbahnfans gebührlich verabschiedet. Die letzten fünf Frankfurter Zweirichtungstriebwagen der Type O kamen im Jahr 2020 noch gelegentlich zum Einsatz. Die gesamte Düwag Flotte wurde durch die neuen Modertrans Niederflurstraßenbahnen ersetzt. Urban Transport Magazine berichtete hier:
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Auch weiterhin werden mehrere „Helmuts“ in Poznań bleiben: Drei Triebwagen sind als Arbeitswagen vorgesehen und es gibt jeweils einen GT6 (Nr. 2513 in Rheinbahn Lackierung und Logo) und GT8 (Nr. 702, beige), die in den Sommermonaten auch auf der Touristenstraßenbahnlinie zum Einsatz kommen. Darüber hinaus ist auch die Vorhaltung eines GT8 in der grünen Posener Lackierung geplant. Eine Zeit lang diente ein ausgemusterter GT8 am Rondo Starołęka als Café mit mit dem Namen „Café Bimba“ – Bimba ist in Poznań der Spitzname für die Tram.
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Kurz nach der Abschiedsveranstaltung im November 2019 kamen Straßenbahnfreunde in Düsseldorf und das Hannoversche Straßenbahnmuseum auf die Idee, ausgemusterte GT8 nach Deutschland zurück zu holen. Die Beweggründe hierfür sind unterschiedlich (siehe unten).
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Zwei Rückholaktionen: Düsseldorf und HSM/ Hannover
Als die Posener Verkehrsbetriebe „MPK Poznań“ am 10. November 2019 ihre letzten ex-Düsseldorfer GT8 aus dem Liniendienst nahmen und sich in einem vierstündigen Straßenbahnkorso von ihnen verabschiedeten, hatten zwei Düsseldorfer Straßenbahnfreunde eine verwegene Idee. Sie wollten einen GT8 im grün-gelben Design der MPK Poznań zurück nach Düsseldorf holen, um ihn in den historischen Wagenpark der Rheinbahn zu integrieren. Dort solle er den letzten Einsatzzustand dieser Fahrzeuggeneration repräsentieren.
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Die Wahl fiel auf den Wagen 697. Dieser befand sich im besten Zustand aller sieben noch vorhandenen GT8-Fahrzeuge und wies außerdem die interessanteste Lebensgeschichte auf: Der 697 wurde im Jahr 1964 als GT6 für die Stadtwerke Neuss gebaut. Dort war er als Tw 43 bis zur Stilllegung der Neusser Straßenbahn im Jahr 1971 im Einsatz. Anschließend übernahm die Rheinbahn Düsseldorf das Fahrzeug und benannte es in 2623 um. 1974 wurde der Wagen durch Einbau eines Mittelteils zum GT8 und in 2768 umbenannt. Eine weitere Änderung erfolgte 1983 mit dem Einbau von Federspeicherbremsen und der damit verbundenen Umbenennung in 2968. Nach 39 Jahren im Düsseldorfer Liniendienst musterte die Rheinbahn das Fahrzeug 2010 aus und verkaufte es an die MPK Poznań. Dort wurde der Wagen in 697 umbenannt und zunächst weiter in Rheinbahn-Lackierung eingesetzt. Die Umlackierung dieses GT8 in die Farben der MPK Poznań erfolgte erst 2017.
Während der Vorbereitungen für die Rückholung schnappte die Corona-Falle zu und die Rheinbahn durfte keine finanziellen Mittel mehr für den Kauf und Transport des Fahrzeuges aufwenden. Die inzwischen auf vier Mitglieder angewachsene Arbeitsgruppe „Helmut 697“ startete daraufhin eine Sammelaktion, mit dessen Hilfe die finanziellen Mittel zum Kauf und Transport des Fahrzeugs zusammenkommen sollten. Im Anschluss an den Kauf des Wagens solle dieser der Rheinbahn geschenkt werden. Der anfänglich kaum für möglich gehaltene Erfolg trat Anfang September ein als die erforderliche Summe erreicht war. Der im November 2019 für die Rückkehr nach Düsseldorf reservierte TW 697 konnte gekauft und der Transport organisiert werden. Dieser verließ am Abend des 21.09.2020 den Betriebshof Franowo in Poznań in Richtung Düsseldorf. Zwei Tage später, am 23.09.2020 um 2 Uhr morgens fuhr der Schwertransporter durch das Eingangsportal auf das Gelände des Rheinbahn-Betriebshofes Heerdt in Düsseldorf. Die MPK Poznań kommunizierten, dass es die erste gebrauchte deutsche Straßenbahn ist, die nach ihrem Einsatz in Polen zurück in ihre Heimatstadt nach Deutschland gebracht wurde. Jedoch ist es schon das zweite Mal: 1984 wurde der im Volksmund als „Zeppelin“ bekannte MAN-Wagen von den MPK Krakau restauriert und nach Nürnberg überführt. Nach seinem Wiederaufbau wurde er nach Nürnberg verkauft, wo er als Museumswagen dient.
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Mit dem Tw 697 befindet sich in der Düsseldorfer Sammlung historischer Fahrzeuge nun auch eines, das den letzten Einsatzzustand der klassischen Düwag-Gelenkwagen mit Rheinbahngeschichte repräsentiert. Es ist nicht nur das bislang einzige Düwag-Fahrzeug, das nach dem Verkauf an einen nichtdeutschen Verkehrsbetrieb jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs in denselben deutschen Verkehrsbetrieb zurückkehrt, sondern auch der generell erste Düwag-Rückkehrer aus diesem Gebiet.
Ersatz für das Hannoversches Straßenbahn Museum (HSM)
Das HSM wurde im Februar durch den Orkan im Februar 2020 schwer getroffen. Teile der Fahrleitungsanlage wurden zerstört und heruntergerissen. Diese Schäden konnten, auch durch Spenden, schnell beseitigen und hätten zum Saisonbeginn wieder einen kompletten Fahrbetrieb anbieten können. Der Sturm hat aber ein weiteres Opfer gefordert, dass die Sammlung sehr schwer getroffen hat. Durch einen umstürzenden Baum und Fahrleitungsmast wurde der Rheinbahn GT6 2304 irreparabel zerstört. Um auch weiterhin einen DÜWAG-Gelenkwagen der Rheinbahn Düsseldorf präsentieren zu können, hat sich das HSM auf die Suche nach einem Ersatzfahrzeug gemacht.
Ein brauchbarer Sechsachser, wie der zerstörte Wagen 2304 war leider nicht mehr zu bekommen. Dafür haben die Verkehrsbetriebe der Stadt Poznań in Polen dem HSM den Wagen 711 (ehemals Düsseldorf 2664) zur Übernahme angeboten. Hierbei handelt es sich zwar um einen ehemaligen Düsseldorfer Achtachser, dieser ist in optischer und technischer Hinsicht in vielen Dingen zu Wagen 2304 identisch und kann auch als Zugfahrzeug für den noch vorhandenen Rheinbahn-Beiwagen 1699 dienen. Mit dem Wagen aus Poznań wäre ein guter Ersatz gefunden.
Auf Grund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie und der damit verbundenen vorübergehenden Schließung des Museums konnte das Museum nur wenig Einnahmen generieren, um Kauf und Transport des Fahrzeuges finanzieren zu können. Das HSM war somit auf Spenden angewiesen. Dank der riesigen Unterstützung zahlreicher Spender, trat der DÜWAG GT8 711, ehemals Düsseldorf 2664, im September die Reise von Poznań nach Wehmingen an. Am 1. September 2020 erfolgte die Vertragsunterzeichnung und Übergabe in Poznań. Der GT8 erreichte das HSM am 25. September.
Es bleibt nun für beide Projekte zu hoffen, dass die Corona-bedingte Einschränkung bald aufgehoben wird, damit die „neuen“ historischen Sammlungsstücke auch der Öffentlichkeit und Straßenbahn-Enthusiasten vorgeführt werden können.
13.11.2020